
Theologe Németh: Weg zum Frieden in Ukraine führt auch über Kirchen
Der Weg zum Frieden in der Ukraine führt auch über eine "umfassende Vergangenheits- und Gegenwartsbewältigung" zwischen den involvierten orthodoxen Kirchen in der Ukraine bzw. jener des Moskauer Patriarchats. Das hat der Wiener Ostkirchen-Experte Prof. Thomas Németh bei einem Podiumsgespräch dieser Tage an der Universität Wien betont. Aktuell stünden die Kirchen in einem starken Konkurrenz- und Konfliktverhältnis zueinander, langfristig werde man allerdings um einen Dialog nicht herumkommen. Gerade die Rolle der Russisch-Orthodoxen Kirche und ihres Patriarchen Kyrill sei problematisch. In einem Dialogprozess komme der Theologie eine wichtige Rolle zu, zeigte sich Németh überzeugt.
Die Veranstaltung fand am 2. Mai an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien statt. Sie stand unter dem Titel "Ukraine Outside-Inside. Politik, Kirchen und Medien im Krieg". Neben Németh nahmen daran u.a. die Historikerin Kerstin Susanne Jobst, der Historiker und Vorstand des Instituts für Osteuropäische Geschichte der Uni Wien, Wolfgang Mueller, sowie der "Paneuropa"-Präsident und Medienunternehmer Karl Habsburg teil.
Habsburg berichtete u.a. über die Situation seines Radiosenders "Kraina FM" und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese mussten bereits zweimal flüchten - zunächst 2014 aus dem besetzten Donbass und mit dem Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 aus der Stadt Butscha. Heute sendet der Sender über UKW sowie MW und digital in der Ukraine und auf die besetzte Krim sowie nach Russland hinein. Auf die Frage nach einer etwaigen Medien-Zensur seitens der ukrainischen Regierung angesprochen, hielt Habsburg fest, dass er in seiner Tätigkeit als freier Radiounternehmer keinesfalls eingeschränkt werde. Aber natürlich haben Regierung und Militär ein Interesse, unmittelbar gefechtsrelevante Informationen zu kontrollieren und koordinieren, um die Sicherheit der Soldaten und den möglichen Erfolg von militärischen Vorhaben nicht zu gefährden. Das sei im Krieg nicht anders zu erwarten und bis zu einem gewissen Grad auch legitim.
Kerstin Susanne Jobst hob den Wunsch der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung nach Unabhängigkeit ihres Landes seit den 1990er-Jahren und die zunehmende Rolle der ukrainischen Sprache seit Februar 2022 hervor. Als Krim-Historikerin könne sie die Haltung des Präsidenten Volodymyr Zelenskyj nachvollziehen, dass Friedensverhandlungen nur unter Berücksichtigung des völkerrechtlich eindeutigen Status der Krim durchgeführt werden sollten.
Wolfgang Mueller sah in der diametralen Auseinanderentwicklung von Russland und der Ukraine den wichtigsten Grund für den Krieg. Er verwies u.a. auf die eingeschränkte Medienfreiheit und die Repressionen gegen Intellektuelle in Russland, wo Demokratisierung und Westorientierung der Ukraine als Bedrohung für die Stabilität des "Systems Putin" betrachtet werde.
Diskutiert wurde außerdem über mögliche Friedensbedingungen. Einig zeigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darin, dass bei Verhandlungen die Verantwortung Russlands für den Angriffskrieg nicht ignoriert werden dürfe. Die künftige Zusammenarbeit mit Russland auf internationaler Ebene werde auch von der Haltung der russischen Bevölkerung gegenüber den Kriegsverbrechen abhängen.
Papst Franziskus wurde für sein Engagement für den Frieden gewürdigt - zugleich aber wurde betont, dass nicht alle seine auf Versöhnung ausgerichteten Gesten - etwa jene, in denen Russland und die Ukraine verbunden wurden - glücklich gewählt worden seien.
Quelle: kathpress