
Propst Werlen: Kirche hört den Menschen zu wenig zu
Die Kirche und vorneweg die Bischöfe der katholischen Kirche hören den Menschen zu wenig zu: Das hat der Ordensmann und Propst der Propstei St. Gerold in Vorarlberg, Martin Werlen, betont. In seiner Arbeit - sei es als früherer Abt von Einsiedeln oder in der Schweizer Bischofskonferenz - sei ihm immer wichtig gewesen, auf die Menschen zu hören. Auf Ebene der bischöflichen Beratungen indes habe er das so gut wie nie erlebt. Die Beratungen dort hätten "mit den Menschen und ihren Nöten kaum etwas zu tun" gehabt. "Wir hören viel zu wenig auf die Menschen", so Werlens Fazit im Interview in der Zeitschrift "miteinander" des Canisiuswerkes.
Wenn die Kirche nicht fähig sei, "bei den Menschen zu sein und zu hören, was Gott uns gerade durch diese Menschen sagt, dann dürfen wir nicht von den anderen erwarten, dass sie Hörende sind." - eine Aussage, mit der Werlen auf den laufenden Synodalen Prozess in der katholischen Kirche anspielte, der das Aufeinander-Hören besonders betont. Prinzipiell sei dieser Prozess zu begrüßen, könne man doch heute viel offener innerkirchlich über Probleme reden, "ohne gleich ein Rede- oder Schreibverbot zu erhalten". Aber insgesamt sei man da "am Anfang eines langen Weges der Synodalität, des Zuhörens".
Als Ordensmann kenne er das Spiel von Gehorsam und Hören nur zu gut, berichtete Werlen weiter. Dabei bedeute Gehorsam nicht einfach, etwas auszuführen, das gesagt wird, sondern es meint ein aufmerksames Zuhören. Im Anlassfall habe man auch als Mönch die Pflicht zu sagen: "Das stimmt nicht, da irren Sie sich." Schließlich leiste man sein Gehorsams-Versprechen nicht dem Abt, sondern Gott.
Martin Werlen (geb. 1962) ist Benediktiner und seit 2020 Propst der Propstei St. Gerold in Vorarlberg. Zuvor war er u.a. von 2001 bis 2013 Abt des Klosters Einsiedeln. Werlen war in der Zeit als Abt ein aktiver Nutzer von Twitter (@AbtMartin) mit über 9.300 Followern und über 5.700 eigenen Tweets. Seit 2014 twittert er nach einer Auszeit wieder unter @MoenchMartin. (Infos zur Zeitschrift und Wortlaut des Interviews: www.miteinander.at)
Quelle: kathpress