
Innsbruck: Tagung unterstreicht Relevanz von Religion
Eine zentrale Frage von Kirchen- und Religionsvertretern sowie von Theologinnen und Theologen stand im Fokus einer interreligiösen Tagung, die gestern an der Universität Innsbruck zu Ende gegangen ist: Wie können Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie die Theologie ihre Relevanz im gesellschaftlichen wie im politischen Diskurs nicht nur deutlich machen, sondern auch so einbringen, dass es zum Nutzen von Staat und Gesellschaft ist? Diskutiert wurde diese Frage am 10./11. Mai bei der interreligiösen Tagung "Relevanz von Kirchen und Religionsgemeinschaften im gesellschaftlich-politischen Diskurs" an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck.
Der Tenor war dabei, dass sich Religionen wie auch die Theologie unbedingt aktiv in die Gestaltung der Gesellschaft einbringen müssten - "zum Wohl eben dieser in Achtung der rechtlichen Rahmengebung durch den Staat", wie es in einer Aussendung der Fakultät am Freitag hieß. "Eine Demokratie ohne Gespür für Religion droht auch die Grundfragen des Lebens und der Gesellschaft zu ignorieren." Vertreten waren bei der Tagung alle Religionsgemeinschaften bzw. staatlich eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften mit Ausnahme der Alt-Alevitischen Glaubensgemeinschaft, der Hinduistischen sowie der Israelitischen Religionsgesellschaft.
Insgesamt sei deutlich geworden, dass die Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften "die gesellschaftliche Relevanz ihrer Kirchen und Religionsgemeinschaften schwinden" sehen und die Bereitschaft zur diskursiven Auseinandersetzung ebenso wie die Kooperation unter- und miteinander "ein wichtiges Element zur Lösung des Relevanzproblems" sei, fassten die Initiatoren der Tagung, der Innsbrucker Kirchenrechtler Prof. Wilhelm Rees und Prof. Johann Bair vom Fachbereich Rechtsgeschichte des Instituts für Römisches Recht und Rechtsgeschichte an der Universität Innsbruck zusammen. Die Tagung bildete die Fortsetzung einer Reihe von Veranstaltungen, die seit 2015 unter dem Generalthema "Religion und Staat im Brennpunkt" stattfinden.
Nachhaltigkeit breiter denken
Als Vertreter der Katholischen Kirche verwies der Präsident des Katholischen Laienrates, Wolfgang Mazal, auf die Diskursfähigkeit der Glaubenden. Nur wenn diese in der Lage seien, "auf der Höhe der Zeit zu argumentieren und Anliegen aktiv heranzutragen", werde man auch in der Öffentlichkeit wahr- und ernstgenommen. "Religiosität" dürfe in der Gesellschaft "nicht verdunsten", daher sollten sich Religionsgemeinschaften bei allen gesellschaftlichen Fragen mit religiösem Hintergrund auch äußern. "Nachhaltigkeit zum Beispiel ist eine Frage der Vitalität der Gesellschaft. Das müssen wir viel breiter denken, nicht nur auf die Umwelt, das Klima beschränkt - auch Arbeit, Familie, Reproduktion gehören dazu", erinnerte Mazal. Ähnlich verwies auch der Superintendent der Evangelischen Kirche A.B., Oliver Dantine, darauf, dass Gläubige zunächst "Diskursfähigkeit" gewinnen müssten, um sich produktiv einzubringen. Dazu würde es hilfreich sein, "Verbündete zu suchen" und "Allianzen zu schmieden".
Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Ümit Vural, führte aus, dass "Religion immer auch eine politische Dimension" habe und "keine Privatsache" sei. Mache man sie zu einer solchen, so falle man "in das Toleranzdenken lange vergangener Zeiten zurück". Verschiedentlich werde heute "religiöses Leben problematisiert", wobei auch unterstellt werde, dass "die Anhänger des Islams die politische Machtergreifung" anstrebten. Überhaupt habe man den Eindruck, dass der Glaubensgemeinschaft "die Deutungshoheit über ihre Religion" abgesprochen werde. Übersehen werde bei all dem, dass "die Anhänger des Islams eine kleine Minderheit" seien, "die wie andere auch, Brücken untereinander und zu den Menschen" bauten, "die Gesellschaft" mitgestalteten, bereicherten und letztendlich auch "einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden" leisteten.
Weitere Redebeiträge steuerten Erdal Kalayci (Alevitische Glaubensgemeinschaft), Gerhard Weissgrab (Buddhistische Religionsgesellschaft), Walter Hessler (Neuapostolische Kirche), René Alexander Krywult (Kirche Jesu Christ der Heiligen der Letzten Tage), Edwin Jung (Freikirchen), Peter Haider (Vereinigungskirche), Johannes Beurle (Christengemeinschaft), Oliver Fichtberger (Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten), Elias Metzel (Bahai-Religionsgemeinschaft) und Gursharan Singh Mangat (Sikh Gemeinde Österreich) bei.
Neue "Expertisendatenbank" online
Eine praktische Antwort auf die Frage nach der Teilhabe speziell der Theologie am öffentlichen Diskurs bietet eine neue "Expertisendatenbank" der Innsbrucker Theologischen Fakultät. Unter dem Titel "Sie suchen Wissen? Wir bieten ..." können unter der Webadresse www.uibk.ac.at/theol/kommunikation/wissen.html.de ab sofort Themen und Ansprechpartnerinnen und -partner an der Innsbrucker Fakultät ausfindig gemacht werden.
"Wir sehen dies als Beitrag zu einem fruchtbaren gesellschaftlichen Diskurs, insbesondere in weltanschaulichen und/oder religiösen Fragen und möchten so die Kompetenzen, die an unserer Fakultät vorhanden sind, einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen", so Dekan Willhelm Guggenberger. "Besonders in Fragen von Nachhaltigkeit, Frieden und interreligiösem Dialog hat unsere Fakultät hervorragende, international renommierte Expertinnen und Experten, die gerne für Interviews, Beratung oder Weiterbildung zur Verfügung stehen."
Quelle: kathpress