
Hilfsorganisationen zu Pflegepaket: "Keine Pflegereform Teil zwei"
Caritas und Diakonie sehen in dem am Mittwoch von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) präsentierten Pflegepaket zwar sinnvolle weitere Maßnahmen, aber "keine Pflegereform Teil zwei". So sei es "sehr erfreulich", dass die Bundesregierung an der Pflegereform weitergearbeitet habe, "sie verabsäumt aber, mit einer strukturellen Pflegereform die österreichweite Harmonisierung und eine langfristige Finanzierung der Pflege zu sichern", meinte Caritas-Österreich-Präsident Michael Landau. Die Diakonie werte die Ankündigungen "lediglich als Ergänzungen zum Reformpaket 2022", so Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Nötig ist laut der Hilfsorganisationen "ein Blick aufs Ganze", wie ein österreichweit einheitliches Pflegesystem sowie ein ambitionierter Ausbildungsschwerpunkt für Pflegeberufe.
Die vielen "sinnvollen und begrüßenswerten Maßnahmen" gelte es nun "im Detail zu begutachten", betonte der Caritas-Präsident. "Unser zentrales Ziel muss es sein, möglichst viele Menschen für Pflege und Betreuung zu gewinnen, langfristig zu halten und die pflegenden Angehörigen zu entlasten." Die Mitarbeitenden in der Pflege seien der Schlüssel, um die Probleme nachhaltig zu lösen, so Landau.
Als positiv "und bereits überfällig" erachtete Landau die Erhöhung der Basisförderung in der 24-h-Betreuung auf 800 Euro. Minister Rauch hatte gemeinsam mit ÖVP-Klubobmann August Wöginger u.a. die Anhebung der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung von Pflegebedürftigen daheim angekündigt. Ab Herbst soll es um 160 Euro mehr geben - statt 640 Euro also 800 Euro, sofern zwei selbstständige Personenbetreuerinnen oder -betreuer zum Einsatz kommen. Werden die Betreuenden angestellt, gibt es statt 1.280 Euro dann 1.600 Euro.
Ebenso zu begrüßen seien die angekündigten Maßnahmen zur Beschleunigung der Nostrifikationsverfahren sowie der Kompetenzerweiterung der diplomierten Pflegekräfte, die auch eine Pflegegeldersteinstufung ermöglichen sollen.
"Fleckerlteppich" beenden
Die katholische Hilfsorganisation vermisse jedoch weiterhin eine "strukturelle Pflegereform Teil zwei" mit einer österreichweiten Harmonisierung und einer langfristigen Finanzierung der Pflege- und Betreuungslandschaft, hieß es. Es brauche einheitliche Qualitäts-, Versorgungs- und Finanzierungsschlüssel "vom Bodensee bis zum Neusiedlersee", um weitere Fortschritte in der Pflegereform zu erzielen. Der aktuelle "Fleckerlteppich" müsse durch österreichweit einheitliche Standards und einen Ausbau von Dienstleistungen ersetzt werden, so der Caritas-Appell.
Weiter ausständig seien auch Zusagen über die längerfristige Finanzierung der bereits im ersten Pflegereformpaket gesetzten Maßnahmen, erinnerte Landau, etwa bei Pflegebonus, Entlastungswoche und Ausbildungsoffensive. Die Finanzierung einiger Maßnahmen läuft mit Ende 2023 aus. Hier brauche es eine schnelle Klärung, forderte der Caritas-Präsident. "Wichtig ist, dass alle diese Maßnahmen langfristig abgesichert werden und deren Finanzierung sichergestellt wird."
Moser: "Gefahr der Familiarisierung von Pflege"
"Was fehlt, ist der Blick aufs Ganze, ein Herumdoktern an Einzelmaßnahmen ist zu wenig", kritisierte Moser. Erforderlich ist laut Diakonie eine grundlegende Pflegereform und der Ausbau von bedarfsgerechten Pflegeangeboten. Ebenso wurden Verbesserungen für Angehörige und Personal beschlossen. Mit dem von der Regierung als "zweiten Teil" der Pflegereform bezeichneten Paket gehe es vorwiegend darum, "strukturelle Verbesserungen für alle Pflegenden zustande zu bekommen", sagte Rauch im Anschluss an die Regierungssitzung.
Zwar würden sich Betroffene über die finanzielle Förderung für die 24-Stunden-Betreuung sicher freuen, "mehr finanzielle Unterstützung ist im Einzelfall immer hilfreich", zeigte sich Moser überzeugt. Es gelte aber im Blick zu behalten, dass es sich dabei letztlich um ein "Nischenthema" handle. "Nur fünf Prozent der knapp 500.000 Pflegegeld-Bezieher:innen nehmen sie in Anspruch", erklärte Moser. Den "Pflege-daheim-Bonus" habe die Diakonie immer kritisch gesehen. "Er birgt die Gefahr der Familiarisierung von Pflege", mahnte Moser. Der Ausbau von Unterstützungsangeboten, die pflegende Angehörige entlasten würden, stehe offensichtlich nicht auf der Reformagenda.
System ist ineffizient
"In unserem Pflegesystem wird Geld nicht effizient eingesetzt, und es geht an den Bedürfnissen der Menschen mit Pflegebedarf vorbei", erneuerte Moser ihre Kritik an der Pflegereform. Die Pflege in Österreich kenne nur zwei Säulen: Pflegeheim oder mobile Pflege. Andere Angebote, um weiter zu Hause leben zu können, fehlten weitgehend. Moser: "Wir brauchen eine Pflegelandschaft, in der Menschen mit Pflegebedarf das Angebot bestimmen."
Dieses System führe auch dazu, dass die Pflegekräfte unzufrieden sind, zeigte sich Moser überzeugt: "Sie sehen, dass sie Menschen nicht so pflegen und betreuen können, wie es sich die Klient:innen wünschen. Und sie sind gezwungen, hinter ihren eigenen Ansprüchen an gute Pflege zurückzubleiben". Das frustriere auf Dauer und sei für Moser der "tiefere Grund", warum Pflegekräfte die Langzeitpflege verlassen.
Quelle: kathpress