
Theologe Körtner zu Koranverbrennungen: Kritik ja, Beleidigungen nein
"Kritik an religiösen Lehren und religiöser Praxis ist das eine, Beleidigung von Personen, Respektlosigkeit, Verunglimpfung und Herabwürdigung dagegen etwas anderes": Auf diesen Unterschied hat der evangelische Theologe Ulrich Körtner in einem Gastbeitrag für die "Kleine Zeitung" (Ausgabe 6. August) angesichts der Koranverbrennungen und -schändungen in Schweden und Dänemark hingewiesen und sich von der zuletzt auch von vielen Christen kritisierten Form des Protests in Schweden scharf distanziert.
Den Aktivisten dort "ging und geht es offenbar nur um islamfeindliche Aufwiegelung, um Beleidigung und Verhetzung", so Körtner. Die Handlungsweise des aus dem Irak stammenden, atheistischen Mitglieds der Rechtspopulisten in Schweden sei "moralisch zu ächten", auch wenn das Strafrecht in Skandinavien die Grenzen der Meinungsfreiheit anders zieht als etwa das österreichische.
In seinen Ausführungen über die Frage "Darf man heilige Bücher verbrennen?" hielt der an der Uni Wien lehrende Theologe fest, man dürfe sich in der Debatte, die an den Streit um die 2005 zuerst in Dänemark veröffentlichten Mohammed-Karikaturen erinnere, "nicht in eine religiöse Form der Cancel Culture hineinmanövrieren". Religionsvertreter sollten anderen nicht vorschreiben, was sie öffentlich sagen dürfen und was nicht. "Allgemein gesagt muss mir nicht heilig sein, was anderen heilig ist", schrieb Körtner. Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit würden in einer liberalen Gesellschaft bedeuten, "dass selbst offene Ablehnung dessen, was Personen und Gruppen heilig ist, zu ertragen ist".
Das entspricht nach den Worten des Theologen auch der Botschaft Jesu, der selbst religiöse Religionskritik übte. Und diese sei auch in anderen Erzählungen der Bibel belegt, erinnerte Körtner etwa an die Zerstörung des Goldenen Kalbs durch Mose, an die Tötung der Baalspriester durch den Propheten Elia oder an die beißende Kritik an Kultbildern bei Jesaja. Da Bücherverbrennungen aber auch zu den "dunklen Kapiteln der Christentumsgeschichte" zählten, ja sogar vermeintliche Ketzer auf dem Scheiterhaufen landeten, sei Religionskritik für die Kirchen auch ein Anlass zur Selbstkritik, hielt Körtner fest.
Grundrechte untereinander abwägen
Es gebe berechtigterweise "kein Grundrecht, von jedweder Art von Kränkung geschützt zu werden". Das zu fordern, wäre laut Körtner das Ende der Meinungsfreiheit, der Freiheit der Kunst und der Religionsfreiheit, die als Grundrechte zu verteidigen seien. Religionsfreiheit, die das Recht auf Religionslosigkeit einschließt, gelte nicht absolut, sondern sei im Einzelfall gegen die anderen Grundrechte abzuwägen. Dabei sei zu fragen, was dem Gemeinwohl und dem friedlichen Zusammenleben dient.
Die Koranverbrennungen und -schändungen in Schweden und Dänemark sorgten weltweit - und auch unter Christen - für Empörung, "geht es bei den Aktionen doch ausschließlich um die Herabwürdigung und Verunglimpfung einer Religion und ihrer Gläubigen, die dem Geist des Evangeliums widerspricht". Dass diese Aktionen geeignet sind, den gesellschaftlichen Frieden zu gefährden, dürfte wohl außer Zweifel stehen, so Körtner. Auch sicherheitspolitisch stellten sie eine Gefahr dar. "Kein Wunder, dass man nun in Schweden darüber nachdenkt, die Grenzen der Meinungsfreiheit enger als bisher zu ziehen."
Quelle: kathpress