
Caritas zu Attacken auf Obdachlose in Wien: "War noch nie da"
Der mittlerweile dritte Messerangriff auf Obdachlose in Wien innerhalb von vier Wochen löst große Sorgen unter den Wohnungslosen in der Bundeshauptstadt, aber auch bei der Caritas aus. "Es ist natürlich Thema unter Klientinnen und Klienten und uns Betreuerinnen und Betreuern. Ich arbeite seit 30 Jahren in dem Bereich, und so etwas war noch nie da", zeigte sich Susanne Peter, Streetwork-Verantwortliche der Caritas Wien, am Freitag im Gespräch mit der APA.
Der dritte Angriff auf Obdachlose wurde laut dem Bericht in der Nacht auf Mittwoch beim Hernalser Gürtel in der Josefstadt verübt. Ein 55-Jähriger war mit schweren Schnitt- und Stichverletzungen in dem Bereich entdeckt worden. Zuvor wurde am Morgen des 12. Juli am Handelskai ein 56-jähriger Mann mit tödlichen Stich- und Schnittverletzungen aufgefunden; am 22. Juli, wurde eine 51-jährige Frau nachts durch Stich- und Schnittverletzungen schwer verletzt. Die Polizei tappt bei den Ermittlungen nach wie vor im Dunklen (sachdienliche Hinweise unter der Telefonnummer 01/31310/33800).
Peter bestätigte, dass die Polizei ebenso wie sie und ihre Kollegenschaft versuchen, die Klientel aufzuklären und zu sensibilisieren. Die Streetworkerin schilderte eindringlich die derzeit vorherrschende Verunsicherung sowohl unter den Obdachlosen als auch den Betreuenden: "Soweit ich weiß, weiß man gar nichts. Weil man nicht einschätzen kann, wo und wen trifft es als nächsten. Gerade in der Nacht, wenn man schläft und am wehrlosesten ist." Der Schlafsack schaffe so etwas wie Privatsphäre. Ein Angriff in der Situation sei "dasselbe, als wenn man uns im eigenen Schlafzimmer attackieren würde". Viele Obdachlose würden sich laut Peter bemühen, nur mit einem geschlossenen Auge und fluchtbereit zu schlafen.
"Wir versuchen, die Klientinnen und Klienten zu sensibilisieren, aber es ist schwierig, weil die Taten im öffentlichen Raum verübt werden, und Obdachlose sind eben im öffentlichen Raum", erläuterte Peter gegenüber der APA. Einen mit den Angriffen zusammenhängenden größeren Ansturm auf Notquartiere hat die Streetworkerin bisher aber nicht festgestellt. "Da ist der Andrang immer groß, auch im Sommer, weil die Menschen auch dann Schutz suchen. Die Notquartiersplätze sind einfach voll."
Es gebe aber auch Obdachlose, die nicht in geschlossenen Räumen mit anderen Menschen zusammensein können und die daher auch im Winter nicht in den Notquartieren Schutz suchen. Diese könne man gegen äußere Einflüsse schützen, indem man ihnen zum Beispiel Schlafsäcke zur Verfügung stelle. Gegen Messerattacken wie zuletzt helfe das aber nicht.
"Nicht wegschauen. Hilfe leisten"
Nicht zuletzt deshalb sei die Aufklärung und Sensibilisierung so wichtig, nicht nur bei Betreuenden, Polizei und Obdachlosen, sondern auch der Bevölkerung insgesamt, so Peter. "Ich sehe schon, dass Obdachlose die Schwächsten in der Gesellschaft sind", sagte die Streetworkerin. "Es sind Menschen wie du und ich. Die etwas Schlimmes erlebt haben oder psychisch krank sind. Es ist wichtig, dass sie normal - und wertschätzend - behandelt werden."
Wer Zeuge eines Angriffs auf einen obdachlosen Menschen wird, soll "hinschauen, nicht wegschauen. Und Hilfe leisten. Zumindest die Rettung holen", appellierte Peter.
Quelle: kathpress