Bioethikerin: "Leihmutterschaft neue Form von Kolonialismus"
"Reiche Frauen und Männer lassen sich von sozial benachteiligen armen Frauen ihre Kinder austragen. Das ist eine neue Form des Kolonialismus und Rassismus": Mit diesen Worten hat die Direktorin des Wiener Bioethikinstituts IMABE, Susanne Kummer, am Freitag gegenüber Kathpress auf den Leihmütterskandal auf Kreta reagiert. Anlass ist die Schließung einer Kinderwunsch-Klinik auf der griechischen Insel, die trotz des gesetzlichen Verbots Profit mit Leihmutterschaft machte und dafür Zuhälter beschäftigt sowie Frauen ausgebeutet haben soll. Die Bioethikerin forderte ebenso wie die "Aktion Leben" ein internationales Verbot von Leihmutterschaft: "Klimaschutz und Menschenschutz gehen nur grenzüberschreitend", so Kummer.
Leihmutterschaft sei eine Ausbeutung von Frauen, "die es sich aufgrund ihrer Herkunft und prekären Verhältnisse nicht anders aussuchen können", erläuterte Kummer. Auf Kreta seien laut Medienberichten Frauen aus Moldawien, der Ukraine, Georgien, Rumänien und Bulgarien - viele von ihnen Romnja - aus wirtschaftlich sehr schwierigen Verhältnissen mit falschen Versprechungen nach Kreta gelockt worden. Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch, die Leihmutterschaft in Anspruch nehmen, würden somit auch Formen von Menschenhandel unterstützen, kritisierte die IMABE-Direktorin.
Zwar ist in Griechenland, anders als in Österreich und vielen anderen europäischen Ländern, Leihmutterschaft unter gewissen Voraussetzungen erlaubt, das Austragen eines Kindes für andere Menschen darf aber nur aus "altruistischen Motiven" passieren - wenn die Beteiligten verwandt oder befreundet sind. Es darf folglich kein kommerzielles Interesse bestehen. Seit 2014 ist es gesetzlich auch Ausländerinnen und Ausländern ohne Wohnsitz in Griechenland erlaubt, ein Baby von einer Leihmutter in Griechenland austragen zu lassen, was von Kliniken auch beworben wird.
Kritik an "reproduktiver Autonomie"
"Das aktuelle Beispiel zeigt, dass die altruistische Leihmutterschaft eine Farce ist", so Kummer wörtlich. Die Ethikerin nannte es ein "Feigenblatt", das sich Kliniken wie Eltern umhängen, Frauen würden aber dennoch ausgebeutet werden. Trotz unerfülltem Kinderwunsch müssten Eltern, die Leihmutterschaft in Anspruch nehmen, auch die Perspektive der Betroffenen mitbedenken, da es auch um die Existenz von Dritten gehe.
Ein unerfüllter Kinderwunsch könne "unendlich emotionalen Schmerz auslösen und dafür muss man Verständnis und Mitgefühl haben", merkte die Ethiker an. Kritik äußerte sie aber am Begriff der "reproduktiven Autonomie", der zum Instrument geworden sei, sich jedwede Art von Wünschen zu erfüllen, auch wenn es dabei die Existenz von Dritten betreffe. Die Freiheit zu wählen, wie, wann und mit welcher Methode man zu einem Kind komme, werde auf dem Rücken der Leihmütter und der so geborenen Kinder ausgelebt und sei eine Zumutung für andere Betroffene.
Verbots-Forderungen immer lauter
Auf europäischer Ebene werde aktuell verhandelt, wie und ob Kinder aus Leihmutterschaft leichter anerkannt werden könnten, berichtete Kummer. Sie hofft nun auf eine Kehrtwende in der Debatte; obgleich sie daran erinnerte, dass Kinderwunschkliniken bei Abgeordneten stark lobbyieren würden. Eine belgische Abgeordnete würde sogar an Leihmutterschaft verdienen. "Man kann kein Recht erfinden, das Unrecht anerkennt", erklärte die Ethikerin.
Leihmutterschaft finde nicht nur in der Ferne statt, sondern mitten in Europa, mahnte Kummer unisono mit "Aktion Leben"-Generalsekretärin Martina Kronthaler. Diese forderte in einer Aussendung am Freitag ein internationales Verbot dieser Methode. Kronthaler nahm auch die Politik sowie Verantwortliche in die Pflicht, die jahrelang Missstände ignoriert hätten. Sie verwies dabei auch NGOs sowie investigative Journalisten der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit", die bereits seit 2019 von rechtlichen Graubereichen und Dokumentenfälschungen berichteten.
Leihmutterschaft sei ein weltweites Milliardengeschäft und Kinderwunschpaaren werde vorgegaukelt, die Leihmütter würden "helfen" wollen, mahnte Kronthaler. Die Hintergründe der Frauen und deren Motivation würden jedoch nur selten erfragt und unangenehme Informationen ausgeblendet. "Der eben aufgedeckte neue Skandal um Leihmutterschaft in Griechenland ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs in dem weltweiten Milliardengeschäft", so die "Aktion Leben"-Generalsekretärin.
Problem verlagert sich
Durch den Ukraine-Krieg sei zwar vermehrt auf die drastisch verschärfte Situation ukrainischer Leihmütter hingewiesen worden, jedoch habe sich die Problematik verlagert, etwa nach Russland, Georgien und Indien, sagte Kummer. Das von der katholischen Kirche getragene Wiener IMABE-Institut berichtete etwa von Leihmutterschafts-Agenturen, die gezielt in Frauenhäusern nach Frauen suchen, die dort nach Misshandlung und Flucht von ihren Ex-Männern finanziell unabhängig werden wollen. Die Frauen würden aufgrund dieses Wunsches "ihre Gebärmutter vermieten".
"Es ist ein klares Muster zu erkennen: Reiche bestellen sich bei Armen, die in oft verzweifelten Lagen einem Geschäft zustimmen und ausgenutzt werden, ein Kind", so das Fazit der IMABE-Direktorin.
Quelle: kathpress