Theologin Bruckner: Anerkennen, nicht alles in der Hand zu haben
Für die Theologin Isabella Bruckner hilft der christliche Glaube dabei anzuerkennen, "dass wir nicht alles aus uns selber haben". Gebet und Liturgie öffneten dabei Räume, "wo sich der Mensch selbst entdecken kann, aber auch von sich selber wegkommen und so offen wird für das oder den anderen", sagte die an der Benediktinerhochschule Sant' Anselmo in Rom lehrende Theologin im Interview mit der St. Pöltener Kirchenzeitung "Kirche bunt" (aktuelle Ausgabe).
Die erst 31-jährige gebürtige Niederösterreicherin lehrt seit 2022 an der römischen Hochschule "Christliches Denken und spirituelle Praxis". Für ihre Dissertation zum Thema "Gesten des Begehrens. Mystik und Gebet im Ausgang von Michel de Certeau" wurde sie zudem mit dem renommierten "Karl-Rahner-Preis" der Universität Innsbruck ausgezeichnet.
Auch wenn das Gebet "zu nichts nütze" sei, wenn es um das darum gehe, "etwas zu erreichen", helfe es doch, mit den eigenen Gefühlen besser umzugehen und sie fassbar zu machen, zeigte sich die Theologin überzeugt. "Wir fragen uns oft: 'Hilft das Gebet, oder hilft es nicht?'. Aber vielleicht ist das schon die falsche Frage", so Bruckner. "Schon das Versprachlichen unserer Wünsche hilft". Das Sprechen, aber auch Gesten wie das Anzünden von Kerzen, das seien wichtige Prozesse.
Zu Glauben verlange immer nach einer gewissen Öffnung, so die Theologin. "Wenn es mir schlecht geht und ich einen Lobpsalm bete, dann komme ich vielleicht zu einer anderen Sicht der Dinge, die mich von meinen eigenen Vorstellungen befreit." Letztlich gehen es um das Zulassen eines Anderen, "den ich nie ganz durchschauen kann". Das sei in jeder menschlichen Beziehung nicht anders. Erst durch das Eingestehen der eigenen Schwäche ergebe sich das Glück erfahren zu dürfen, "dass mich ein anderer gerade in dieser Schwäche annimmt und bejaht". Im Gebet könne man also die eigene Ohnmacht zum Ausdruck bringen, das alleine sei in gewisser Weise schon eine Befreiung, "wenn man nicht mehr stumm leidet, oder die eigenen Gefühle verdrängt".
Christentum brach gesellschaftliche Regeln
Das Christentum brach radikal mit den gesellschaftlichen Konventionen seiner Zeit, erläuterte Bruckner. "In der Antike wurde Freundschaft in einer Gruppe von Gleichrangigen gepflegt. Im Christentum aber konnte man plötzlich mit jedem und jeder befreundet sein." Weder Gruppenzugehörigkeit noch Geschlecht hätten als Voraussetzung für eine Freundschaft gegolten.
Bruckner nannte in diesem Zusammenhang das Gleichnis vom barmherzigen Samariter als Beispiel. "Jesus zeigt damit die unerhörte Freiheit des Samariters, der sich des überfallenen Juden erbarmt." Heute sei das selbstverständlich, "aber damals widersprach das allen gesellschaftlichen Regeln". Dieses Erbarmen habe biblisch mit dem "innerlich-angerührt-Werden"m, so die Theologin, "diese Berührbarkeit ist auch eine Art Geschenk.
Quelle: kathpress