Religionswissenschaftler: "Religionen sind miteinander verflochten"
Religionen sind über Kontinente hinweg miteinander verflochten, daher ist die Religionsgeschichte eine Art Verflechtungsgeschichte: Das hat der Grazer Religionswissenschaftler Franz Winter im Rahmen seiner Antrittsvorlesung betont, wie das steirische "Sonntagsblatt" (aktuelle Ausgabe) berichtet. Winter leitet seit 2022 das von von Claus Schedl 1978 gegründete Institut für Religionswissenschaft an der Grazer Katholisch-Theologischen Fakultät. In seiner Antrittsvorlesung zu "Überreichweiten in der Religionsgeschichte" am 8. November im Grazer Universitätszentrum Theologie widmete er sich den Folgen von Religions-Transfers von ihrem Ursprungsgebiet in neue Regionen.
Als Beispiel nannte Winter asiatische Religionen: Als diese nach Europa gebracht wurden, sei es in weiterer Folge zu Unschärfen, Überlagerungen und transkulturellen Verlaufsbögen gekommen. Der Theologe erwähnte als Beispiel die indischen Upanishaden, einer Schrift aus dem Indien des 1. Jahrtausends vor Christus, die Antworten auf die großen Fragen geben will.
Als die Upanishaden im Paris nach der Französischen Revolution ins Lateinische übertragen wurden, wurden sie anders wahrgenommen als in ihrem indischen Ursprungsgebiet. "Man sah in ihnen eine Weisheitsschrift, die eine ursprüngliche, nun auch christlich verstandene Einheitslehre vertritt", erläuterte Winter. Bei der Übertragung der Upanishaden im 17. Jahrhundert im nordindischen muslimischen Mogulreich ins Persische wiederum wurden diese nicht christlich gedeutet, sondern als das "ursprüngliche Buch" gewertet, in dem letztlich der Koran bereits enthalten sei.
Dieses Beispiel zeige, dass Religionsgeschichte "immer ein Ineinander unterschiedlicher Player" sei, meinte Winter. Die Aufgabe moderner Religionswissenschaft sei daher eine "saubere kulturwissenschaftliche Erfassung des Religiösen und der Religionen", erläuterte der neue Institutsleiter.
Winter studierte Klassische Philologie und Theologie. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den religiösen Kontakten zwischen Europa und Asien, neureligiösen Bewegungen, Esoterikforschung, Religion und Medien, Islam und Moderne.
Quelle: Kathpress