![Evangelischer Bischof Michael Chalupka / epd/Uschmann](/img/b2/df/e174f4357d5bcd1a6c04/Evangelischer_Bischof_Michael_Chalupka-asset-b1614c1d5ca3aca59368.jpg)
Chalupka: Kirchen müssen sich politisch zu Wort melden
"Dieses Land müsste eigentlich keine Armut haben, besonders keine Kinderarmut": Mit diesen Worten wies der evangelische Bischof Michael Chalupka auf die offenen Punkte des vor 20 Jahren veröffentlichten ökumenischen Sozialwortes hin. Letzteres habe nach dem Erscheinen einen Dialog mit politischen Parteien und Stakeholdern gesucht und dabei die Sozialverträglichkeitsprüfung von Gesetzen eingefordert, die aber nie umgesetzt worden sei. "Das hätten wir zum Beispiel beim Familienbonus gebraucht, der nicht zu den Armen verteilt wurde", so Chalupka im Interview mit der Kooperationsredaktion der österreichischen Kirchenzeitungen. Eine neue Version des Sozialwortes hielt er für nicht notwendig, da sich Kirchen "im Blick auf das Zusammenleben" sowieso zu Wort melden müssten.
Zudem sei auch die politische und ökumenische Situation aktuell nicht so leicht wie 2003, so der evangelische Bischof, der als damaliger Diakonie-Direktor das Sozialwort mitentwickelt hatte. "Es war ein besonderer Moment, der genutzt worden ist, und das war gut so." Aktuell läuft das vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) initiierte Projekt "Sozialwort 20+", das das Sozialwort weiterentwickeln möchte.
Das Besondere an dem Sozialwort sei die Einbeziehung aller 14 Kirchen und Gruppen - von Laien, Geistlichen Frauen wie Männern - gewesen, so Chalupka, der den Stellenwert der Mitarbeit der Orthodoxen Kirche hervorstrich. Außerdem sei es nicht bei Analysen und Empfehlungen für die Politik geblieben, da sich die Kirchen nach jedem Kapitel Selbstverpflichtungen gegeben hatten. Zudem hat das "Ökumenische Forum christlicher Frauen in Österreich" die Ergänzung "Ökumenisches Sozialwort der Frauen" herausgegeben.
Das Kapitel über Schöpfungsbewahrung bezeichnete Chalupka im Rückblick gar als "prophetisch"; schon 2003 habe man von der Klimakrise gewusst, jedoch sei das Thema nicht so präsent gewesen wie heute. Das Sozialwort sei auch "ein Mosaikstein" für die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung gewesen, die jedoch mittlerweile wieder abgeschafft wurde. Sie wurde durch die "Mindestsicherung Neu" ersetzt.
Das Sozialwort habe zudem bereits 2003 die demografische Lage im Blick gehabt; Chalupka nannte etwa die Babyboomer: "Man hat also gewusst, dass wir für die wirtschaftliche Entwicklung Zuwanderung brauchen." Kritik übte der Bischof daher über das aktuelle Beschweren über den Fachkräftemangel, wenn andererseits aktuell Menschen in Lehre abgeschoben würden.
Ökumenisches Sozialwort
Das "Sozialwort" war vor seiner Veröffentlichung 2003 in einem vierjährigen Prozess mit mehr als 1.000 Einzelpersonen, gut 100 Organisationen und einem Team der Katholischen Sozialakademie erstellt worden. Es war als "Kompass" für die Kirchen und die Gesellschaft gedacht. Die großen Themenblöcke waren Bildung, Medien, Sozialer Zusammenhalt, Lebensräume Land/Stadt/Europa, Arbeit, Wirtschaft, Soziale Sicherheit, Frieden, Gerechtigkeit sowie Schöpfungsverantwortung und Nachhaltigkeit.
Chalupka bezeichnete diesen Prozess als spannend, "weil alle, die sich in Österreich sozial wie kirchlich engagieren, zu Wort gekommen sind." Und weiter: "Das ist ein ganz seltenes Kunststück, wenn das gelingt."
Rund zehn Jahre später wurden die Impulse des "Sozialworts" aufgegriffen und weiterentwickelt. Dazu wurde der einjährige Prozess "Sozialwort 10+" begonnen. Ergebnis war die Broschüre "Solidarische Gemeinde", wo es zu den Themenfeldern Existenzsicherung, Flüchtlinge, Bettler, Alleinerziehende, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflege, Kinder, Bildung, Behinderte und Schulden u.a. auch konkrete Praxistipps gab.
Das aktuelle Projekt "Sozialwort 20+" ist zumindest bis zur Gebetswoche für die Einheit der Christen (18. bis 25. Jänner 2024) anberaumt. Die Impulse werden dokumentiert bzw. aufgezeichnet und sind im Anschluss auch über die Website des ÖRKÖ (www.oekumene.at) abrufbar. Die gesammelten Impulse sollen abschließend in einer Broschüre gemeinsam mit einigen begleitenden Aufsätzen von Theologinnen und Theologen und anderen Expertinnen und Experten veröffentlicht werden. (Infos: www.oekumene.at)
Quelle: kathpress