Glettler zeichnet differenziertes Bild der Kirche in Tirol
Differenziert hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler die Situation der Kirche in Tirol beschrieben: Bei seinen Visitationen erlebe er "in manchen Pfarren eine faszinierende Vitalität, andere tun sich schwer", sagte Glettler im Weihnachtsinterview der "Tiroler Tageszeitung" (23.12.). Die Seelsorge in den Spitälern und in Altersheimen werde immer wichtiger. Allerdings treffe die Kirche der Fachkräftemangel. "Wir suchen Frauen und Männer für den Religionsunterricht und für die Seelsorge", sagte Glettler. Seine Einschätzung, wie es um die Kirche steht: "Ohne etwas schönreden zu wollen, würde ich sagen, brauchbar gut."
Zum Priestermangel erklärte der Bischof, es sei klar, "dass nur Begeisterte andere begeistern können". Entscheidend sei, eine positive Atmosphäre zu schaffen, in der die Freude am Priestersein und an der Seelsorge spürbar werde. "Das ist nicht leicht", räumte Glettler ein. Die "Altlast der Missbrauchsskandale" wirke immer noch nach. Die Kirche darf sich nach Glettlers Überzeugung "nicht als Verein neben anderen Vereinen" verstehen. Sie sei mittendrin in der Gesellschaft - "möglichst empathisch, hörend, tröstend, vorangehend, manchmal auch widerständig".
Der von der Kirche überlieferte Glaube sei gerade in Krisenzeiten eine große Stütze. Angesichts von Kriegen, Klimaerwärmung oder Pandemie verbiete sich jede billige Vertröstung. Doch das Wissen um Gottes Nähe sei "Inspiration und Kraftquelle, um nicht zu resignieren", wie Glettler sagte. Der Glaube gebe Hoffnung auf Neuanfänge und die Kraft, Gutes zu tun. Gebet sei eine geistige Kraft, die mit Gott und untereinander verbindet - "zutiefst solidarisch mit den vielen Anliegen unserer Zeit", so Glettler. Weihnachten sei die Einladung, sich erneut auf die befreiende Botschaft Jesu einzulassen.
"Wohnen bei uns unverschämt teuer"
Die Frage, ob die Kirche etwas gegen die viele Menschen belastende Teuerung tun kann, bejahte der Bischof: "Durch Seelsorge und soziale Unterstützung versuchen wir den Menschen nahe zu sein. In den Pfarren und über die Caritas gibt es konkrete Angebote." Wobei man hier auch an Grenzen gelange, wie Glettler hinwies. "Wenn Wohnen bei uns so unverschämt teuer ist, dann muss strukturell etwas geändert werden", nahm er die Politik in die Pflicht. Es gehe darum, Beteiligung zu fördern und bei den Menschen das "Gefühl des Abgehängtseins und die weitverbreitete Systemwut" zu reduzieren.
Mit Blick auf das Weihnachtsfest warnte der Bischof vor "zu viel Kitsch". Die Geburt im Stall konfrontiere mit der Armut und Zerbrechlichkeit des Menschseins. "Unser Blick muss sich auf den erwachsenen Jesus richten, auf den lebendigen Christus. Sein Wort aufzunehmen, ja seinem Geist in uns Raum zu geben, das ist Weihnachten."
Quelle: kathpress