
Ludwig: Christentum wichtig für Gesellschaft und Sozialdemokratie
Christliche Werte sind wichtig für die Gesellschaft und haben auch in der Sozialdemokratie einen hohen Stellenwert. Das hat der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei einem Podiumsgespräch mit dem Moraltheologen Prof. Matthias Beck zum Thema "Christentum und Politik" am Montagabend in Wien unterstrichen. Die Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu sich selbst stehe im Zentrum der christlichen Botschaft und beschreibe damit die drei Dimensionen des Menschseins. Diese "3D-Liebe" sei nicht nur die Hauptbotschaft des Christentums, "sie ist auch für die Sozialdemokratie zentral", so der Wiener Landeshauptmann. Zu seinem persönlichen Glauben sagte er u.a.: "Ich bin der katholischen Kirche immer treu geblieben, habe als Kind ministriert und war auch als Sternsinger unterwegs."
"Für die Menschen da sein." - Dieser Anspruch gelte für sozialdemokratische Politik genauso wie für die Kirche, führte Ludwig weiter aus. Zur Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik gehöre auch, dass zwischen Kirche und Sozialdemokratie "Missverständnisse mit realem Hintergrund" aufgelöst und durch Brückenbauer wie Kardinal Franz König und Bundeskanzler Bruno Kreisky - "auch gegen Widerstände aus den eigenen Reihen" - überwunden werden konnten.
Nicht zuletzt durch das Wirken der Wiener Erzbischöfe - ausdrücklich nannte der Bürgermeister Kardinal Christoph Schönborn - gebe es in Wien ein sehr gutes Miteinander unter den Kirchen und Religionen. Es sei ihm, Ludwig, immer wichtig gewesen, "unter den Religionen das Verbindende zu fördern und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten", sei es noch als Wohnbaustadtrat beim Projekt "Campus der Religionen" in der Seestadt Aspern oder jetzt als Bürgermeister mit dem kürzlich ins Leben gerufenen Religionsrat.
Das gute Verhältnis von Stadt und Kirche zeige sich auch in konkreten Projekten. So würden jährlich rund 1 Million Euro aus dem Stadtbudget in kirchliche Bauprojekte gehen. Auch das halte das Christliche in der Öffentlichkeit präsent, so Ludwig. Selbst wenn der Anteil von Christen in Wien geringer werde, so würde das Christentum im "Werte-Wettbewerb" nach wie vor eine große Rolle spielen. "Auch für Zuwanderer kann es interessant sein, sich am Christentum zu orientieren." Christen sollten daher nicht aus Bequemlichkeit schweigen, sondern für ihren Glauben mit Argumenten werben, so Ludwig. Abzulehnen sei jedoch dabei jede Art von Zwang.
Auf die Frage aus dem Publikum zur Zuwanderung und damit zusammenhängenden Herausforderungen plädierte der Bürgermeister für Realismus und einen lösungsorientierten Zugang. Rund die Hälfte der Wiener Bevölkerung habe einen migrantischen Hintergrund, "das ist keine Minderheit". Ob in Spitälern, in der Pflege oder in der Wirtschaft, vieles würde ohne Zugewanderte nicht mehr funktionieren "und wir müssen diesen Menschen auch dankbar sein", gab Ludwig zu bedenken. Er sei aus Überzeugung für einen "menschlichen Umgang" mit Asylsuchenden oder Migranten, so Ludwig. Zugleich markierte der Wiener Bürgermeister eine Grenze: "Es darf keine Toleranz gegenüber Intoleranz geben."
Christliches Ethos und vernünftiger Glaube
Gesellschaft und Politik verdanken dem Christentum das Eintreten für Nächstenliebe, Feindesliebe und Menschenwürde und seien daher gut beraten, diese christlichen Wurzeln zu pflegen. Davon zeigte sich Prof. Beck im Gespräch mit dem Wiener Bürgermeister überzeugt und sagte pointiert: "Christentum erspart Polizei." Die Kirche und die Christen seien heute aber mehr denn je gefordert, den Glauben und das christliche Ethos mit Argumenten weiterzugeben. Nur so könne das Christentum seine Aufgabe erfüllen, "Sauerteig in der Gesellschaft zu sein". "Das Christentum ist vernünftig, weil es eine Logos-Religion ist", betonte Beck, der als Theologe, Mediziner und Pharmazeut u.a. Mitglied der vatikanischen Akademie des Lebens und der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt ist.
Zum Christentum gehöre auch die Eigenverantwortung des einzelnen. "Mangelnder Eigenstand" sei gefährlich, so Beck. Er könne dazu führen, dass man sich entweder ganz einer Gemeinschaft oder einem "Starken Mann" unterwerfe. Politik sei gut beraten, sich an Kardinal-Tugenden wie dem Maßhalten zu orientieren, oder, mit anderen Worten: "Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist brutal. Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit führt zur Auflösung der Strukturen."
Quelle: kathpress