
Demokratie: Schönborn warnt vor Verrohung der Sprache
Kardinal Christoph Schönborn hat eindringlich vor antidemokratischen Entwicklungen in der Gesellschaft gewarnt. "Wenn die Sprache verroht, verroht sehr schnell auch das Handeln", so der Kardinal wörtlich am Montagabend beim 2. Rudolf Gelbard-Symposion im Wiener-Kardinal-König-Haus. Anstand und Bildung bezeichnete der Kardinal als zwei Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Schönborn zitierte einmal mehr Andre Heller, der von der "Weltmuttersprache Mitgefühl" gesprochen habe. Wenn dieses Mitgefühl nicht mehr vorhanden sei, wenn die elementare Achtung des anderen nicht mehr gegeben sei, dann sei Gefahr im Verzug.
Schönborn verwies über Österreich hinaus auf das bahnbrechende Dokument von Abu Dhabi über die universale Geschwisterlichkeit, das Papst Franziskus und der sunnitische Al-Azhar-Großimam Ahmad Al-Tayyeb am 4. Februar 2019 unterzeichnet hatten.
Großer Sorgen bereiten dem Kardinal weltweite Tendenzen, Religion für nationalistische Zwecke zu missbrauchen. Schönborn sprach von einem "Krebsübel, dass Religionen politisch bzw. nationalistisch missbraucht werden". Dagegen müssten die Religionen gemeinsam auftreten.
Das "Rudolf Gelbard-Symposion" stand unter dem Titel "Dialog der Religionen. Mit Kardinal Schönborn bestritten Oberrabbiner Jaron Engelmayer und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Ümit Vural das Podium. Vural, Engelmayer und Schönborn würdigten übereinstimmend das gute interreligiöse Klima in Österreich wie auch die guten Beziehungen zwischen dem Staat und den Religionen.
Eine Dimension, die allen drei Religionen gemein sei, betreffe "die Verantwortung vor dem Ewigen", sagte Schönborn. Das sei der Glaube daran, "dass es so etwas wie das universale Gericht gibt, in dem wir Rechenschaft geben müssen, nicht nur über uns eigenes Leben, sondern über das Leben unserer Gemeinschaften." Und im Blick auf die Letztverantwortung vor dem Ewigen sei die oberste Frage: "Was hast du getan, um mehr Gerechtigkeit auf Erden zu verwirklichen?", so der Wiener Erzbischof.
Die Religionen dürften sich nicht auseinanderdividieren lassen, so der Appell Engelmayers. Der Terroranschlag vom 7. Oktober sei "ein Angriff auf die freie Welt" gewesen, so der Oberrabbiner. Sein Mitgefühl gelte allen Opfern des Krieges, betonte Engelmayer. Für die zivilen Opfer in Gaza sei freilich die Hamas verantwortlich.
Demokratie kein Selbstläufer
Vural warnte davor, den Nahost-Konflikt nach Österreich zu importieren. Hier komme den Religionen eine hohe Verantwortung zu, dies zu verhindern. Vural verurteilte einmal mehr den Terror der Hamas. Wenn nun aber von internationaler Seite die Hilfe für das UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) für Gaza wegen der Verwicklung von Mitarbeitern in die Hamas eingestellt wird, treffe es wiederum die Not leidende Zivilbevölkerung von Gaza.
Im Blick auf Österreich hielt Engelmayer weiters fest, dass die Demokratie kein Selbstläufer sei. Sie zu bewahren und antidemokratischen und rechtsextremen Kräften zu wehren, sei eine bleibende Aufgabe. In die gleiche Kerbe schlug auch Vural, der den gegenseitigen Respekt und die Achtung der Menschenwürde hervorhob.
Erinnerungen an Rudolf Gelbard
Das Symposion fand im Gedenken an den Holocaust -Überlebenden, Journalisten und vielfachen Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte Rudolf Gelbard (1930-2018). In einem weiteren Panel des Symposions erinnerte die Zweite Nationalratspräsidentin Duris Bures daran, dass Rudolf Gelbhard über alle Parteigrenzen hinweg Brücken zu all jenen gebaut und gepflegt hatte, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen.
Hanna Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, unterstrich die Überzeugung Gelbhards, der sich selbst als Agnostiker bezeichnete, von der verbindenden Kraft der Religionen.
Auf den auch in Österreich nach den Hamas-Terroranschlägen vom 7. Oktober wieder deutlich zunehemenden Antisemitismus angesprochen, zeigte sich Lessing zum einen erschüttert, rief zugleich aber dazu auf, sich im Einsatz gegen Antisemitismus, nicht entmutigt zu lassen. Es gelte, konsequent weiterzuarbeiten.
Bürgermeister Michael Ludwig hielt in seinem Grußwort fest, dass ihn Wien kein Platz für Antisemitismus und Rechtsextremismus sein dürfe. Den Religionen maß er im Kampf dagegen höchste Bedeutung zu. Deshalb habe er auch gleich nach dem 7. Oktober den Rat der Religionen ins Leben gerufen. Ludwig: "Wien ist eine Stadt des Friedens."
Rudolf Gelbard (1930-2018)
Rudolf Gelbard (1930-2018) wuchs in Wien-Leopoldstadt auf. Im Oktober 1942 verschleppten ihn die Nazis mit seinen Eltern in das Konzentrationslager Theresienstadt. Gemeinsam mit ihnen erlebte er die Befreiung am 8. Mai 1945. Fortan setzte er sich unermüdlich für Demokratie und Freiheit und gegen Antisemitismus und Faschismus ein. Er war ein wichtiger Zeitzeuge für die Jugend an den Schulen und ein unerschrockener Mahner gegen alle Formen von Intoleranz und Unmenschlichkeit.
Ende der 1940er-Jahre absolvierte Gelbard die Akademie der Sozialistischen Jugend Österreich, in den 1950er-Jahren die Parteischule der SPÖ Wien. Beruflich war er beim "Kurier" tätig. Am 7. Dezember 1996 wurde er in den Bundesvorstand der Freiheitskämpfer gewählt und gehörte diesem bis zu seinem Tode an. Für sein Engagement erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Er war u.a. auch Mitglied des Beirats des Christlich-Jüdischen Koordinierungsausschusses.
Quelle: Kathpress