Beck: Papst will wissenschaftlichen Blick über kirchlichen Rand hinaus
Papst Franziskus ist es gelungen, das wissenschaftliche Denken und die Diskursfähigkeit der Kirche zu stärken. So lautet das Fazit von Prof. Matthias Beck nach der diesjährigen Tagung der Päpstlichen Akademie für das Leben, die am Mittwoch im Vatikan zu Ende gegangen ist. Zum 30. Jahrestag ihrer Gründung befasste sich die Akademie, der Beck angehört, mit dem Thema "Human. Meanings and Challenges" (Human. Bedeutungen und Herausforderungen). "In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den großen Zukunftsfragen geht es dem Papst mehr um Kompetenz als um Katholizität", resümierte der Wiener Theologe, Mediziner und Pharmazeut im Interview mit Kathpress. So sei es unter Franziskus gelungen, die Akademie thematisch und personell breiter und kompetenter aufzustellen.
Beeindruckt zeigte sich Beck, der auch Mitglied der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt ist, von der Multiperspektivität der diesjährigen Akademie-Tagung in der Befassung mit anthropologischen Themen. So habe der deutsche Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, der seit letztem Jahr das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse in Laxenburg bei Wien leitet, über die Frage "Können wir das Antropozän noch überleben?" referiert. Die in London lehrende Wirtschaftswissenschafterin Mariana Mazzucato thematisierte das Verhältnis von Mensch, Ökonomie und Gemeinwohl.
Breiten Raum nahmen laut Beck auch Fragen rund um Künstliche Intelligenz, aber auch im Blick auf neue neurologische Behandlungsmethoden durch das Implantieren von Chips in das Gehirn ein. Die Leitfrage bei all diesen Themen sei gewesen, was das für die Identität des Menschen bedeute und was eine christliche Anthropologie dazu beitragen können. Über diesen Aspekt referierte u.a. die Wiener Moraltheologin Sigrid Müller, die das Verhältnis von personaler Verantwortung, Ethik und Transzendenz zur Sprache brachte.
Papst empfängt Akademiemitglieder
Bereits am Montag hatte der Papst die Mitglieder der Akademie für das Leben empfangen. Laut Franziskus sei die Frage, was den Menschen ausmacht, eine ebenso alte wie aktuelle Frage. Sie stelle sich angesichts der jüngsten technologischen Fortschritte noch dringender als bisher. Wissenschaftler hätten sich schon immer dagegen ausgesprochen, einfach für oder gegen neue Maschinen und Technologien zu sein. "Diese Alternative ist sinnlos", erklärte der Papst in der Begegnung mit den Forschenden. Und es sei auch "nicht plausibel, allein auf die Unterscheidung zwischen natürlichen und künstlichen Vorgängen zu setzen" und dabei die einen als wirklich menschlich und die anderen als unmenschlich zu betrachten.
Vielmehr gehe es darum, das wissenschaftliche und technologische Wissen so zu deuten, dass eine gefährliche Übermacht des Technologischen verhindert werde. Dazu zähle auch der Versuch, das menschliche Wesen mit den Mitteln und der Logik der Technik reproduzieren zu wollen. Es müsse die Kreativität des Menschen in verantwortbarer Weise ausgeübt werden, forderte der Papst. Deshalb sollten Wissenschaft und Technik das Menschliche "in seiner unwiederholbaren Besonderheit anerkennen und weiterentwickeln".
Die Päpstliche Akademie für das Leben wurde 1994 von Johannes Paul II. gegründet, um den Papst vor allem in bio- und medizinethischen Fragen zu beraten. Inzwischen befasst sich die Akademie auch mit anderen Zukunftsthemen wie Transhumanismus und Künstlicher Intelligenz. Präsident der Akademie ist Kurienerzbischof Vincenzo Paglia.
Quelle: kathpress