Schwanberg: Aktionskünstler Brus "im Kunstgeschehen unnachahmlich"
Als "im Kunstgeschehen unnachahmlich" hat die Direktorin des Dom Museum Wien, Johanna Schwanberg, den am 10. Februar verstorbenen Aktionskünstler, Zeichner, Schriftsteller und Bühnenbildner Günter Brus gewürdigt. Mit Brus sei eine der "konsequentesten und bahnbrechendsten Künstlerpersönlichkeiten nach 1945" gestorben, schreibt Schwanberg in der Wochenzeitung "Furche" (aktuelle Ausgabe).
Der 86-jährig in Graz verstorbene Brus werde nicht nur aufgrund seiner thematischen und formalen Bandbreite "ein Künstler von Weltrang" bleiben, so Schwanberg, "sondern auch, weil er einer der konsequentesten Persönlichkeiten der Kunstszene hierzulande war". Auch sei Brus stets authentisch geblieben - etwa als einer, der unbeirrt die Bedeutung der Handschrift in der Kunst gegenüber dem Digitalen hervorhob. Der Verlust der Handschrift sei "so schwerwiegend wie die Ausrottung von Tiergattungen", meinte der Künstler einmal, und ebenso: "Das Blut der Dichtung muss weiterhin aus den Fingern fließen, sonst ist das schöpferische Formulieren nur noch ein Abschreibposten."
Vor allem aber sei es die "schonungslose Offenlegung von Verwundbarkeit", die Brus auszeichnete, betonte Schwanberg. So sei es dem Künstler stets um die Umkehrung der etablierten Formen von Stärke und Schwäche gegangen. Der Titel einer seiner Zeichnungen "Im Vollbesitz der Schwäche" berühre einen tieferen Ton seines philosophisch-politischen Gedankenguts wie seiner existenziellen Grundhaltung, so die Kunsthistorikerin.
Ebenso faszinierend an seinem Werk seien "die intime, träumerische Erzählweise, der beißende Spott und das oft fast übermütige Fabulieren", so Schwanberg. "Selten spricht eine Kunst so viele Seiten des menschlichen Daseins an wie die des Günter Brus." Viele Zeichnungen zeigten die Brutalitäten und Grausamkeiten des Lebens ungeschminkt auf. Genauso gebe es aber liebliche, bewusst kitschige Blätter, auf denen der Künstler die Schönheit euphorisch feiert.
Würdigungen zu Recht
Die Trauerbekundungen und Würdigungen hätten sich bei Brus' Tod zu Recht überschlagen, so Schwanberg. "Aus seiner tiefgehenden Suche hat Günter Brus die Weltkunst geprägt und unser Land zu einer Zeit mit verändert, als Veränderung dringend notwendig war", hielt etwa Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) fest. Eine Würdigung von offizieller Seite wäre vor fast sechzig Jahren unvorstellbar gewesen, erinnerte Schwanberg, "denn damals wurde Günter Brus in einer beispiellosen Hetzkampagne der österreichischen Boulevardpresse zum 'meistgehassten Österreicher' erklärt und in der Folge zu sechs Monaten 'strengem Arrest' verurteilt". Die Begründung: "Herabwürdigung österreichischer Symbole" und "Verletzung der Sittlichkeit und Schamhaftigkeit".
Vorausgegangen war die legendäre "Uniaktion" am 7. Juni 1968, bei der Brus eine "Körperanalyse" - wie er seine radikale Aktionskunst nannte - zeigte. Dabei sei es dem Aktionisten keineswegs in erster Linie um Provokation, sondern um zutiefst künstlerische und menschliche Anliegen gegangen, so Schwanberg. "Mit seiner extremen, auf den eigenen Körper konzentrierten Kunst versuchte Brus, die herkömmlichen Medien radikal zu hinterfragen und zugleich die menschliche Existenz in all ihrer Widersprüchlichkeit zu ergründen."
Die Gesellschaft, die Justiz und die Medien hatten wenig Verständnis für Brus' künstlerische Anliegen. Der damals Dreißigjährige wanderte nach Berlin aus, wo er gemeinsam mit Oswald Wiener und Gerhard Rühm als künstlerischen Protest gegen die Repressionen in Wien die "Österreichische Exilregierung" errichtete. Erst 1976 konnte Brus wieder nach Österreich reisen, als seine Frau in einer Audienz bei Bundespräsident Rudolf Kirchschläger die Umwandlung der Haft- in eine Geldstrafe bewirkt hatte. 1996 erhielt Brus den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst.
Quelle: kathpress