Martin Werlen: Kirche darf sich nicht länger selbst im Weg stehen
Die Kirche darf sich nicht länger selbst im Weg stehen. In seinem neuen Buch "Baustellen der Hoffnung" stellt Martin Werlen, aus der Schweiz stammender Propst von St. Gerold (Vorarlberg) und Erfolgsautor, sich und seinen Leserinnen und Lesern die Frage, "wie die Kirche sich und andere wieder auf den Weg bringt". In einer Zeit großer Krisen und Herausforderungen gehe es darum, der "Kreativität des Heiligens Geistes" ungeachtet der Absetzbewegung von der Kirche und abseits lähmender Selbstbespiegelung Raum zu geben und in einem "gemeinsamen Unterwegssein" auch ungewöhnliche Koalitionen zu suchen. Der Benediktiner sieht sein Buch als "eine Ermutigung, das Leben anzupacken" - wie es im Untertitel heißt.
Der Propst stellt darin eingangs "statt eines Vorwortes" die Frage, was die Kirche noch zu sagen hat - und kommt zu einer aufrüttelnden Diagnose: Sie habe sich - obwohl im Besitz einer "großartigen Botschaft" - immer mehr von den Menschen entfernt. Im 21. Jahrhundert nehme die Bewegung weg von der Kirche geradezu "katastrophale Ausmaße" an, so Werlen. Habe man sich früher noch dafür rechtfertigen müssen, warum man nicht mit der Kirche unterwegs sei, "so muss man sich heute rechtfertigen, warum man noch dabei ist".
Daran, dass es "tatsächlich zum Davonlaufen" sei, habe die Kirche selbst großen Anteil: Werlen kritisiert die Energie raubenden Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Lagern. Es gebe eine Polarisierung zwischen Resignierenden - jenen, "die aufgeben, weil sie nicht mehr damit rechnen, dass die dringenden Reformen angegangen werden" - und Rückwärtsgewandten in der Kirche, die auf eine Rückkehr vermeintlich "glorreicher Zeiten" hofften. Durch diese Kluft und daraus resultierende Blockaden stehe sich die Kirche "selbst im Weg", ihre Impulse zu einem Leben in Fülle seien kaum mehr gefragt.
Und doch gebe es immer wieder auch von unerwarteter Seite Einladungen oder die Bitte an Kirchenvertreter, die Stimme zu erheben. "Solch überraschende Momente und die daraus entstandenen Erfahrungen sind mit ein Grund" für sein Buch, so der Autor. Er plädiert für ein neues Bild von der Kirche als "Baustelle" und schildert "Gottesbegegnungen in ganz ungewohnten Milieus".
"Wer Gott erfährt, bleibt nicht hocken"
In seinem Buch spricht sich Werlen für "Priesterinnen und Priester" in einer Kirche aus, "die anders ist" - im Bewusstsein, dass dies "provoziert". Unabhängig vom Geschlecht gelte: "Alle Getauften haben Anteil am Priesteramt, Königsamt und Prophetenamt Christi." Die Kirche spreche "an den Menschen vorbei" und "dreht sich um sich selbst", beklagte der Ordensmann. Dadurch werde "so viel Gutes, was durch die Kirche Tag für Tag geschieht", von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Deshalb seien Christinnen und Christen herausgefordert, Kirche "neu zu leben". Aufgerufen, "anzupacken", sieht der Propst die Gläubigen in den ganz praktischen Problemfeldern rund um "Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Frieden, Sorge für das gemeinsame Haus, Geschlechtergerechtigkeit und viele andere". Werlen: "Unsere Werkstatt ist der Ort, wo wir sind" und "Wer Gott erfährt, bleibt nicht hocken".
P. Martin Werlen hat sein Buch jüngst in der Propstei St. Gerold vorgestellt. Der bei Herder erschienene Band "Baustellen der Hoffnung. Eine Ermutigung, das Leben anzupacken" umfasst 208 Seiten und kostet 22 Euro.
Quelle: kathpress