Gefängnisseelsorger: Herabsetzung des Strafalters "reiner Populismus"
Der evangelische Gefängnisseelsorger Markus Fellinger sieht in der aktuellen Debatte um eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters "reinen Populismus". Für den Sprecher der evangelischen Gefangenenseelsorger ist der Vorschlag von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), dass sich künftig bereits Zwölfjährige vor Gericht verantworten sollen, "ganz klar abzulehnen", sagte Fellinger am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur "Kathpress".
Hintergrund der Debatte ist der aktuelle Fall von mutmaßlichen Serienvergewaltigungen eines erst zwölfjährigen Mädchens in Wien durch 17 Jugendliche, von denen einige sich noch unter dem Strafmündigkeitsalter von 14 Jahren befinden sollen. Kanzler Nehammer nannte es "unerträglich", dass der Rechtsstaat in diesem Fall über keinerlei Handhabe verfüge. Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hatte bekräftigt, dass man über eine Herabsetzung der Strafmündigkeit "nachdenken" müsse. Gefängnisseelsorger Fellinger erteilte einer solchen "Anlassgesetzgebung" eine klare Absage.
Lange Strafen oder eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters seien niemals die richtige Antwort, zeigte sich der Gefängnisseelsorger überzeugt. Auch lösten sie keinerlei Probleme. Gerade bei jugendlichen Straftätern müsse viel mehr die Begleitung und die Prävention im Vordergrund stehen. Prävention müsse etwa in den Familien der Jugendlichen oder bei Workshops in den Bildungseinrichtungen ansetzen. Wenn es doch zu Straftaten komme, müsse die psychologische Aufarbeitung forciert werden. Kooperierten die Eltern nicht, könnten die Kinder in betreuten Wohngemeinschaften samt sonderpädagogischer Betreuung untergebracht werden. Bei dem konkreten Fall sei in erster Linie die Jugendhilfe am Zug, befand Fellinger.
Expertinnen und Experten reagierten auf den Vorschlag der Politik zum größten Teil mit Kritik. Für eine Strafmündigkeit brauche es "eine gewisse Reife", um überhaupt eine Schuld einsehen zu können. Diese fehle Unter-14-Jährige noch eindeutig, sagte etwa Ingrid Pöschmann, Sprecherin der Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) in Wien, gegenüber dem TV-Sender "Puls 24". Wenn Kinder und Jugendliche straffällig würden, werde zudem auch aktuell nicht tatenlos zugesehen.
Quelle: kathpress