Koch: Verhältnis Kirche-Staat zentral im ökumenischen Gespräch
Eine wesentliche Frage für den ökumenischen Dialog zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche ist jene nach dem Verhältnis von Glaube und Politik bzw. von Kirche und Staat. Das hat Kardinal Kurt Koch, Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, betont. Der Kurienkardinal hielt am Mittwochabend im Wiener Erzbischöflichen Palais den Hauptvortrag eines Festakts zum 60-Jahr-Jubiläum der Stiftung "Pro Oriente". "Pro Oriente"-Präsident Alfons Kloss konnte dazu zahlreiche hochrangige kirchliche Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Kirchen aus Österreich und darüber hinaus begrüßen.
Die Kirche im Westen habe in einem langen Prozess gelernt, "dass in der Trennung von Kirche und Staat bei gleichzeitiger Partnerschaft zwischen beiden Realitäten die adäquate Ausgestaltung ihres Verhältnisses besteht", sagte Kardinal Koch. Demgegenüber sei in den Kirchen des Ostens im Laufe der Zeit eine enge Verbindung zwischen der staatlichen Herrschaft und der kirchlichen Hierarchie dominierend geworden und bis heute geblieben. Diese Verbindung komme vor allem zum Ausdruck in den orthodoxen Konzeptionen der Autokephalie und des kanonischen Territoriums.
Diese Konzeption bringe es mit sich, dass die Orthodoxen Kirchen stark mit der jeweiligen Nation verbunden sind und deshalb als Nationalkirchen existieren. Koch: "Ihre Stärke liegt von daher gewiss darin, dass sie in der jeweiligen Gesellschaft, in der die Gläubigen leben, inkulturiert sind. Ihre Gefährdung besteht allerdings darin, dass die Nationalkirchen nicht selten starke Tendenzen zum Nationalistischen aufweisen."
Hinter diesem komplexen Thema stehe auch die Frage des Verhältnisses von Ortskirche und Universalkirche. Hier ortete Koch die Notwendigkeit stärkerer gegenseitiger katholisch-orthodoxer Lernbereitschaft. Und zwar dahin gehend, "dass die katholische Kirche ihre Strukturen vermehrt in synodaler Weise ausrichtet und die orthodoxen Kirchen einen gewissen Primat innerhalb der universalen Gemeinschaft der Kirchen anerkennen können". Gerade auch in dieser Frage sah Koch eine große Aufgabe für die Stiftung "Pro Oriente", Hilfestellung zu leisten. Größere Bedeutung sollte im ökumenischen Dialog zudem auf die Liturgie gelegt werden, zeigte sich Koch überzeugt.
Übereinstimmung im Glauben
Der Kardinal blickte in seinem Vortrag auf die Vergangenheit zurück und stellte zahlreiche Errungenschaften im Dialog mit den orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen fest. Die erfreulichen Ergebnisse der ökumenischen Dialoge mit den Orientalisch-Orthodoxen Kirchen seien etwa vor allem aufgrund der Erkenntnis möglich geworden, "dass hinter den theologischen Problemen, die in der Geschichte zu Kirchenspaltungen geführt haben, weitgehend kulturelle Unterschiede gelegen haben, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass man sich in der Kirche in Ost und West untereinander nicht mehr verstehen konnte". Die Christenheit habe sich nicht primär auseinander diskutiert und über unterschiedlichen Lehrformeln zerstritten, sondern auseinander gelebt.
Schließlich blickt Koch aber auch voraus auf das 1.700-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nicäa (325), das im kommenden Jahr begangen wird. Das christologische Bekenntnis von Nicäa verbinde bis auf den heutigen Tag alle christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in Ost und West und könne folglich in seiner ökumenischen Bedeutung nicht hoch genug geschätzt werden. Für die ökumenische Wiedergewinnung der Einheit der Kirche sei schließlich die Übereinstimmung im wesentlichen Inhalt des Glaubens erforderlich, schloss Koch.
Kirchenspitzen würdigen "Pro Oriente"
Der armenisch-apostolische Bischof und Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Tiran Petrosyan, erinnerte in seinem Grußwort an einen der ersten Meilensteine der Arbeit von "Pro Oriente": die "Wiener Christologische Formel" von 1971, mit der theologische Missverständnisse und Fehlinterpretationen zwischen den orientalisch-orthodoxen und der katholischen Kirche ausgeräumt wurden. Auch wenn die volle Kircheneinheit noch nicht gegeben sei, müssten die Kirchen in der Welt gemeinsam Zeugnis ablegen, heilt Bischof Petrosyan zudem fest.
Der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) zeigte sich überzeugt, dass "Pro Oriente" wesentlich zu den Fortschritten in der Ökumene beigetragen habe. "Ohne 'Pro Oriente' wären wir noch nicht dort, wo wir bereits sind", so der Metropolit wörtlich. Bei "Pro Oriente" gehe es nicht um "theoretische Schreibtisch-Ökumene", sondern um den Dialog auf der Basis persönlicher Kontakte und Beziehungen.
Kultusministerin Susanne Raab sandte eine Videobotschaft, in der sie die Stiftung "Pro Oriente" für deren "herausragende Rolle in der Ökumene"würdigte, ebenso für deren Einsatz für Religionsfreiheit.
Schönborn: Persönliche Freundschaft zu "Pro Oriente"
Kardinal Christoph Schönborn konnte krankheitsbedingt nicht am Festakt teilnehmen, sandte aber ein Grußwort, in dem er den Verantwortlichen der Stiftung für ihren Einsatz für die Ökumene dankte. In dem von Präsident Kloss verlesenen Grußwort hob Schönborn zum einen die Bedeutung von persönlichen Freundschaften für dir Ökumene hervor. Zum anderen zeigte er sich erfreut, dass sich "Pro Oriente" auch besonders der Jugend annehmen. Er verwies auf die vielen Formate der Stiftung für junge Theologinnen und Theologen der verschiedensten Kirchen und die Workshops für junge Christinnen und Christen aus dem Nahen Osten und der christlichen Diaspora in Europa.
An dem Festakt nahmen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen in Österreich und weit darüber hinaus teil; u.a. auch die Mitglieder der "Pro Oriente"-Kommission Forum Syriacum und der "Pro Oriente"-Kommission für Ökumenische Begegnung zwischen den Orientalisch-Orthodoxen Kirchen und der Katholischen Kirche. Die beiden Kommission tagen diese Woche in Wien. Ebenfalls mit dabei waren die Teilnehmenden des derzeit in Wien stattfindenden "Pro Oriente"-Workshops für orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Jugendliche aus ganz Europa, die mit einem spontanen Chorgesang den Schlusspunkt des Festakts setzten.
60 Jahre "Pro Oriente"
Wenige Tage, bevor die Bischöfe auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1964 das Ökumenismusdekret "Unitatis Redintegratio" verabschiedeten, gründete Kardinal Franz König als damaliger Wiener Erzbischof am 4. November die Stiftung "Pro Oriente". Die Stiftung leistete und leistet auf vielfältige Weise Pionierarbeit in der Förderung des Dialogs zwischen den Kirchen in Ost und West. Pro Oriente engagiert sich vor allem im inoffiziellen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen bzw. orientalisch-orthodoxen Kirchen und trägt so dazu bei, verloren gegangenes Vertrauen zwischen den Kirchen zurückzugewinnen und die offiziellen Begegnungen und Dialoge vorzubereiten.
Quelle: kathpress