Katholische Ostkirchen: Neue indische Gemeinde in Wien gestartet
Der sehr lebendige Glaube der katholischen Thomas-Christen in Österreich führt dazu, dass neue Gemeinden errichtet werden: Die jüngste davon befindet sich in der Pfarre Essling in Wien-Donaustadt, in der über 400 österreichische und indische Katholiken erstmals gemeinsam das Patroziniumsfest zum Hl. Josef (19. März) gefeiert haben. Der Generalvikar für die katholischen Ostkirchen in Österreich, Yuriy Kolasa, zelebrierte den Gottesdienst im syro-malabarischen katholischen Ritus - die "Heilige Qurbana" - gemeinsam mit aus Indien stammenden Priestern sowie Ortspfarrer Klemens Bottig und startete offiziell die Homepage (www.syromalabar.at) der seit Herbst bestehenden Seelsorgestelle für indische Gläubige.
Kolasa lobte es als "Zeichen der Integration", dass das Kirchweihfest von der ansässigen- und Gastgemeinde zur sonntäglichen "Primetime" gemeinsam gefeiert wurde. Der Glaube ermögliche freundschaftliche Begegnung der Kulturen, so der Generalvikar. Indisch bestimmt waren nicht nur die Musik und Liturgie, sondern auch die Prozession vor der Kirche mit einer Josef-Statue und bunten Prozessionsschirmen sowie der Segnung der 105 für die Gestaltung zuständigen Personen ("Präsidien"). Nach der auf Malayalam und Deutsch gefeierten Messe gab es eine indisch-österreichische Agape im Pfarrheim mit Tänzen und Darbietungen.
In der Bundeshauptstadt gab es bisher eine Gemeinde in Wien-Meidling, "Maria Lourdes", mit der ebenfalls in Wien-Donaustadt liegenden Pfarre Auferstehung Christi (Saikogasse 8) als Außenstelle. In Essling wurde nun eine zweite eigenständige Seelsorgestelle errichtet, wobei Kardinal Christoph Schönborn zwei aus Indien stammende Priester - P. Thomas Kochuchira vom Dritten Orden der Franziskaner und Dinto Jose Plackal - als Seelsorger bestimmt hat. Auf Essling fiel die Wahl deshalb, da dort viele indische Familien angesiedelt sind und die von den Malayam-Katholiken vormals genutzte Kirche Stadlau-Mariahilf vor einigen Jahren abgerissen wurde.
Pfarrer sieht "Bereicherung"
Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der österreichischen Pfarre wird derzeit ausgelotet, was die indische Gemeinde an Pfarrstruktur benötigt und was freigegeben werden kann, erklärte Pfarrer Bottig gegenüber Kathpress. Das Miteinander sei eine "Bereicherung", auch dank der Offenheit und Hilfsbereitschaft der indischen Gläubigen: Bei Pfarrfesten und Gottesdiensten würden sie mithelfen, Anbetungsstunden übernehmen, zudem wirkten ihre Priester als Urlaubsvertretung in der römisch-katholischen Gemeinde. Vorgesehen sei, künftig ein Fest im Jahr - das Patrozinium St. Josef bildete dafür die Premiere - gemeinsam zu feiern.
Schon seit dem Start vergangenen Herbst hat sich ein reges Gemeindeleben entwickelt, mit Gottesdiensten am Samstag und Sonntag sowie davor einer Katechese für derzeit 70 Kinder, bei der Eltern als Katecheten wirken. Auch Gebetsgruppen für Jugendliche, Frauen und Männer haben sich mittlerweile gebildet. Auch im Pfarrgemeinderat sind Mitglieder der Syro-Malabarischen Gemeinde vertreten.
Ursprünge im 16. Jahrhundert
Die Syro-Malabarische Kirche ist - neben der Chaldäischen Kirche - eine zweite mit Rom unierte Ostkirche, deren Wurzeln in der sich auf den Apostel Thomas berufenden ostsyrischen Tradition liegen. Ihre Entstehung geht auf die Kolonisierung Indiens durch die Portugiesen im 16. Jahrhundert zurück, als indische Thomas-Christen der südwestindischen Malabarküste, die bis dahin der Obhut der Assyrischen Kirche des Ostens unterstanden, die Eucharistie- und Kirchengemeinschaft mit den Vertretern der lateinischen Kirche aufnahmen. Letztere erwiesen sich als wenig sensibel gegenüber dem dortigen Ritus und verfolgten lange Zeit dessen Latinisierung, was zur Spaltung der indischen Christen beitrug.
Zur Bezeichnung "Syro-Malabarische Kirche" kam es erst im 19. Jahrhundert, als Apostolische Vikariate errichtet und einheimische Bischöfe ernannt wurden. Papst Pius XI. errichtete 1923 eine selbstständige Kirchenprovinz und trug dazu bei, dass 1934 wieder die ursprüngliche ostsyrische Liturgie eingeführt wurde. Nachdem das Zweite Vaticanum die Pflege der ostkirchlichen Riten innerhalb der katholischen Kirche nachdrücklich begrüßt hatte, approbierte der Heilige Stuhl 1985 die aufgrund historischer Quellen rekonstruierte ostsyrische Liturgie. Im Jänner 1993 wurde die Syro-Malabarische Kirche in den Rang eines Großerzbistums erhoben, womit die Eigenständigkeit dieser Ortskirche ostsyrischer Tradition innerhalb der katholischen Kirche ausdrücklich bestätigt wurde.
4,5 Millionen Gläubige weltweit, 3.800 in Österreich
Derzeit beträgt die Zahl der syro-malabarischen Gläubigen laut Informationen der Stiftung "Pro Oriente" weltweit rund 4,5 Millionen. Die Kirche verfügt über 63 Bischöfe in 35 Diözesen, Ersthierarch ist der Großerzbischof von Ernakulam-Angamaly, seit Jänner 2024 Raphael Thattil, mit Sitz im indischen Kochi (Bundesstaat Kerala). Ihr Kirchenkalender ist gregorianisch, die Sprache der Liturgie, die als Heilige Qurbana bezeichnet wird, das Malayalam. Besonders ist auch die Zelebrationsrichtung: Der Priester wendet sich laut einem 2021 gefassten Beschluss der Synode der Kirche nur bis zum Hochgebet und dann erst wieder zum Ende des Gottesdienstes in Richtung des Volkes.
Dass in Wien vergleichsweise viele ursprünglich aus Kerala stammende Katholiken leben - offiziell 3.800, viele von ihnen in bereits zweiter und dritter Generation - hängt laut Generalvikar Kolasa mit einstigen Bemühungen von Kardinal Franz König (1905-2004) um dortige Anwerbung von Pflegepersonal und Krankenschwestern für Österreich zusammen. Auch im Eisenstädter Landhaus haben unlängst Bischof Ägidius Zsifkovics und sein Amtskollege aus dem indischen Kanjirapally, Jose Pulickal, vereinbart, jährlich bis zu 50 ausgebildete indische Pflegekräfte ins Burgenland einzuladen. Mit 51 Geistlichen ist zudem jeder zweite aus katholischen Ostkirchen stammende Priester in Österreich syro-malabarisch. Die meisten von ihnen wirken in der Krankenhausseelsorge oder in römisch-katholischen Pfarren.
Großerzbischof kommt nach Wien
Derzeit bereitet sich die Syro-Malabarische Kirche in Österreich auf ein Großereignis vor: Am 25. Mai besucht der neue Großerzbischof Thattil erstmals Wien und feiert um 14 Uhr die Heilige Qurbana im Stephansdom. Unmittelbar vor dem Fest mit den Gläubigen aus ganz Österreich ist eine Begegnung für die Priester dieses Ritus mit ihrem Kirchenoberhaupt sowie auch Kardinal Christoph Schönborn im Erzbischöflichen Palais angesetzt. Bereits am 12. April gibt es einen Klausurtag der syro-malabarischen Priester mit Schönborn in dessen Funktion als Ordinarius für die Ostkirchen, bei dem unter Beteiligung auch jeweils eines Laienvertreters pro Gemeinde ein Pastoralkonzept für die kommenden zehn Jahre erarbeitet werden soll.
Kolasa zufolge ist die Errichtung einer weiteren Gemeinde in Graz in Überlegung, wo rund 60 Gläubige sowie Ordensschwestern der syro-malabarischen Kirche bekannt sind. In der Minoritenkirche der steirischen Landeshauptstadt soll es zu Ostern in Absprache mit Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl erstmals einen Gottesdienst für die syro-malabarischen Gläubigen geben, weitere Liturgien sind im Monatsrhythmus geplant. Sollten auch ins Burgenland Pflegekräfte aus Kerala kommen, werde man sich auch dort um die seelsorgerische Betreuung bemühen, versicherte der Generalvikar.
Quelle: kathpress