Wiener Bischofsvikar zur Kirchenkrise: Aufbrechen statt resignieren
Angesichts der großen Herausforderungen für die katholische Kirche mit einem Schwund bei Mitgliederzahlen und Gottesdienstbesuch gibt es laut dem Wiener Bischofsvikar Josef Grünwidl zwei Möglichkeiten: "Wir können resignieren und uns zurückziehen oder wir können in den Veränderungen eine Chance sehen und aufbrechen." Über seine Präferenz ließ der seit Jänner 2023 für das Vikariat Süd der Erzdiözese Wien verantwortliche Bischofsvikar bei den St. Gabriel-Gesprächen im "Gabrium" der Steyler Missionare in Maria Enzersdorf keinen Zweifel: "Aufbruch und Transformation gehören zur DNA gläubiger Menschen", sagte er laut einem Bericht in der aktuellen Ausgabe der "NÖN".
Mit einigen Zahlen belegte Grünwidl die laufenden Veränderungen in der Kirche: 2022 gab es rund 90.000 Austritte, der Anteil der Katholikinnen und Katholiken an der österreichischen Bevölkerung sank auf 52 Prozent. Lediglich 7,5 Prozent der Kirchenmitglieder - das sind 2,8 Prozent der Gesamtbevölkerung - würden in der Erzdiözese Wien den Sonntagsgottesdienst besuchen. Das hat laut dem Bischofsvikar personelle und finanzielle Konsequenzen: Es gebe immer weniger Religionslehrkräfte und Personal in den Pfarren, die Erhaltung der zahlreichen kirchlichen Gebäude sei eine große Last, das Minus im Diözesanbudget erfordere harte Sparmaßnahmen und die Trennung von Einrichtungen.
Weltanschaulich verglich Grünwidl die Situation mit einem "bunten Mischwald", der die vormalige christliche "Monokultur" abgelöst habe. "Nicht die Kirche an sich, sondern die für uns vertraute Kirchengestalt in Form der Volkskirche kommt an ihr Ende", zitierten die NÖN den Bischofsvikar.
Durch "Kundschafter" von Firmen lernen
Auf all das reagiere die Erzdiözese mit in den vergangenen Jahren gestarteten Initiativen, um die Pfarrgemeinden zu unterstützen und die Kirche in eine gute Zukunft zu führen. Ganz neu sei dabei das Modell von "Kundschaftern", das der Kirche Impulse aus der Wirtschaft bringen soll: 80 vor allem junge Menschen recherchieren bei Firmen, wie diese einen Aufbruch und Neubeginn schafften. Schon länger im Gang ist ein Strukturprozess, der durch die Kooperation von Seelsorgeräumen, Pfarrverbänden und Pfarren mit Teilgemeinden Vorteile in der Verwaltung bringen soll.
Grünwidl präsentierte bei der Gesprächsreihe in St. Gabriel "zwölf Impulse für lebendige Gemeinden", um den Krisenerscheinungen zu trotzen. Neben spiritueller Erneuerung, Beratung und Begleitung bräuchten die Gemeinden eine Vision und ein Pastoralkonzept. Auch der "Mut zum Aufhören" und die Konzentration auf das Wesentliche seien wichtig, wies der Bischofsvikar hin.
Ganz wesentlich sei die Nähe zu den Menschen: Unter dem Motto "Gemeinsam statt einsam" sollten in den Gemeinden Beziehungen geknüpft und gepflegt werden. Grünwidl: "Wir müssen auf die Menschen zugehen und eine Welcome-Kultur schaffen, die neuen Kirchenbesuchern den Einstieg leicht macht."
Quelle: kathpress