Theologe: Kirche muss Mut zu "schwachen Beziehungen" aufbringen
Für eine Neujustierung im seelsorglichen Handeln der Kirche hat der neue Grazer Pastoraltheologe Prof. Bernd Hillebrand plädiert. Leitmotiv einer solchen Neujustierung sollte die Bestimmung des pastoralen Verhältnisses zum Nächsten als "schwache Beziehung" sein. Diese "schwache Beziehung" drücke sich aus in Grundhaltungen der Demut, der Bereitschaft, vom anderen zu lernen und diesen "bedingungslos anzuerkennen". So könne seelsorgliche Begegnung zu einem Lernort gerade auch für die Seelsorgenden selber werden und den Gefahren einer vermeintlichen Vormachtstellung oder gar des Missbrauchs von Machtpositionen widerstanden werden, sagte Hillebrand bei einem Vortrag an der Universität Graz.
Der Vortrag, über den die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Graz am Donnerstag berichtete, bildete zugleich die Antrittsvorlesung des Theologen als neuer Professor für Pastoraltheologie am 12. April an der Universität Graz.
Mögliche Folgen für die konkrete Seelsorge machte der Theologe in drei "Handlungsbereichen" aus: Im Bereich des Kirchenbildes, das sich durch das Leitmotiv einer "schwachen Beziehung" von der Idee einer "gesellschaftlichen Vormachtstellung verabschiedet" und sich darauf fokussiert, "Räume der Begegnung" zu eröffnen und zur Verfügung zu stellen: "Gemeindehäuser, Kirchen und Gärten stehen den Menschen im Sozialraum als Begegnungsorte und diakonische Nutzungsräume zur Verfügung." Im Blick auf das Amtsverständnis würde das Leitmotiv einer "schwachen Beziehung" dazu führen, dass Seelsorgende sich nicht als Lehrende oder Leitende verstehen, sondern sich ganz in den Dienst der Begegnung stellen lassen. In einer globalen Perspektive schließlich würde dies bedeuten, Seelsorge so zu verstehen, dass sie auf das Gemeinwohl und das gute Leben aller abzielt, so Hillebrand.
Als pastorales Leitmotiv bleibe eine "schwache Beziehung" jedoch stets ein paradoxes Unterfangen, führte der Theologe weiter aus - denn die Schwäche bestehe ja gerade darin, dass eine solche Beziehung entweder scheitern oder gar missbraucht werden könne: "Durch die eigene Entmächtigung wird eine Ermächtigung des/der anderen als ermöglichendes Lebenspotenzial eröffnet. In der bedingungslosen Qualität der Beziehung liegt also eine gewisse Schwäche, die zur Stärke für den anderen wird."
Hillebrand hat den Grazer Lehrstuhl für Pastoraltheologie bereits im März 2023 als Nachfolger von Prof. Rainer Bucher übernommen. Der gebürtige Deutsche studierte in Tübingen und Bologna, war in der Betreuung von Aids-Kranken und in der Cityseelsorge in Frankfurt am Main tätig und wurde 1999 zum Priester geweiht. Er promovierte 2015 bei Prof. Ottmar Fuchs und habilitierte sich 2020 in Frankfurt/St. Georgen. Forschungsschwerpunkte Hillebrands sind u.a. Jugendpastoral, Popkultur, Glaube in der Digitalisierung, Ehrenamt und "theologiegenerative Orte". (Infos: https://pastoraltheologie.uni-graz.at/de/ueber-das-institut/mitarbeiterinnen/hillebrand)
Quelle: kathpress