Theologie: Lernen von der frühen Kirche
Die frühe Kirche setzte auf das gemeinsame Mahl, unterschiedlichste Beteiligungsformen und das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen: Auf die Vielschichtigkeit der frühen christlichen Gemeinden machte das Symposium "Partizipation und Leitung in der frühen Kirche" von 31. Mai bis 1. Juni in Graz aufmerksam. Unter der Leitung des Neutestamentlers Josef Pichler und Liturgiewissenschaftlers Peter Ebenbauer lieferten Theologinnen und Theologen in zwölf Beiträgen biblische wie liturgische Einblicke.
Die Grußworte sprach der Grazer Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl, der das Symposium als "spannenden Beitrag zum Synodalen Prozess, der viele Menschen in unserem Land erreicht und bewegt" bezeichnete. Unter den Vortragenden waren u.a. die Grazer Alttestamentlerin Katharina Pyschny, der deutsche Soziologe Dirk Tänzler, die evangelische Theologin Ute Eisen sowie der ukrainische Theologe Petro Husak.
Frühchristliche Rituale würden bis heute bestehen, erklärte etwa Tänzler, Professor für Soziologie, der auf die jesuanische Praxis der Fußwaschung verwies, die bis heute von Papst Franziskus durchgeführt wird. Durch "die Auswahl der Personen, denen er die Füße wäscht", werde das bestehende Ritual "transzendiert", also neu interpretiert.
Auf die partizipative Führungsrollen der frühchristlichen Gemeinden wiesen die Grazer Theologin Pyschny und der Bonner Neutestamentler Martin Ebner hin. Beide gaben einen Einblick in das prozesshafte Aushandeln von Führung und Leitung. "Nach der Darstellung der Apostelgeschichte besteht die ideale Gemeinde aus einer Trias: dem Presbyterkollegium, das in Krisensituationen Lösungsvorschläge erarbeitet, einer Gruppe von Propheten und Lehrern, die unaufgefordert Impulse geben, und der Vollversammlung der Gläubigen, die ihrerseits auf deren Vorschläge reagiert", erläuterte Ebner. Eine übergeordnete Steuerungsebene, wie etwa in der Verwaltungsstruktur der Städte oder mit dem Bischof in anderen frühchristlichen Gemeinden "gibt es nicht".
Eine neue Sicht auf Männlichkeitskonzepte lieferte der Grazer Theologe Josef Pichler, der auf den Vers in Matthäus 19,12 hinwies ("Eunuchen für das Himmelreich"). Dieses Wort von Jesu würde mit dem Ideal hegemonialer Männlichkeit brechen, "dem ohnehin nur sehr privilegierte Personen entsprachen, und sieht stattdessen in den Kindern die idealen Repräsentanten für den Anbruch des Reiches Gottes", so der Theologe. Auch die evangelische Theologin Eisen brachte eine Gender-Perspektive ein, nämlich die von Frauen in frühchristlichen Führungspositionen. Die Erforschung sei jedoch aufgrund der "Androzentrik der Sprache, der Quellen und der Forschung" heikel, weswegen sie eine Sensibilität für inklusive Sprache und ein "kritisches Korrektiv" einforderte.
Quelle: kathpress