
Karpatendeutsche: Bischof Bezak bei Brucker-Jubiläumstreffen in Wien
Auf das Leid der Heimatvertriebenen in der Vergangenheit und Gegenwart hat der ehemalige Erzbischof von Trnava, Robert Bezak, beim 40. Jahrestreffen der Karpatendeutschen aus Bruck an der Donau (Most pri Bratislave) in der Wiener Pfarre Stadlau erinnert. Eine erzwungene Flucht mit der Notwendigkeit des Beginns eines neuen Lebens sei "immer schmerzhaft", sagte der Geistliche aus dem Redemptoristenorden bei dem am Samstag gefeierten Gottesdienst in seiner Predigt. Ein Exil sei in vielerlei Hinsicht eine "große Prüfung", bei welcher von Betroffenen "innere Stärke" abverlangt werde.
Bezak berichtete von eigenen Erfahrungen als junger Priester im Dorf Tuzina, das bis 1945 von Karpatendeutschen bewohnt war und damals den Namen Schmiedshau trug. Mit dem Ende des Kommunismus im Jahr 1989 und dem Fall des Eisernen Vorhangs seien die Vertriebenen erstmals in ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Das Erleben ihrer hastig zurückgelassenen, inzwischen längst allesamt wieder bewohnten Häuser sei ein "schmerzhafter Moment" gewesen, erinnerte sich der Erzbischof zurück.
Viele der Vertriebenen hätten bei diesem Anlass geweint, hätten es jedoch geschafft, den Zorn hinter sich zu lassen, berichtete Bezak. Besonders in Erinnerung geblieben sei der Moment am Friedhof bei den Gräbern der Eltern und Angehörigen, erstmals nach über vier Jahrzehnten. In der Kirche, wo die Kreuzwegbilder weiterhin deutschsprachige Aufschriften trugen, seien dann die Lieder von einst gesungen worden - "es war für viele wie eine Rückkehr in die Zeit davor", so der Bischof.
Gelernt von den Vertriebenen
Unerwartet für ihn als Pfarrer sei dann jedoch die Initiative der Besucher gewesen, sich an der nach den kommunistischen Jahrzehnten dringend notwendig gewordenen Reparatur der Kirche zu beteiligen, sagte Bezak. "Sie veranstalteten eine Sammlung, halfen mit und waren dann sehr stolz, dass es in Schmiedshau wieder eine schöne Kirche gab." Gelernt habe er von ihnen zudem auch, dass niemand imstande sei, einem Menschen das Wichtigste im Leben - "die Fähigkeiten, Talente und den Fleiß" - nehmen könnten. Diese hälfen, "an anderen Orten weiterzuleben".
Durchaus hätten Vertreibungen auch eine "biblische Dimension", verwies der frühere Erzbischof von Trnava auf die Exodus-Erzählung. Sie machten deutlich, "dass wir Pilger auf der Welt sind". Wichtig sei, die Erinnerung an die Vertreibung trotz allen Schmerzes zu einer Kraft für den Neuanfang werden zu lassen und nicht aufzugeben. Erst recht wertvoll sei der Beitrag von den Betroffenen, um "die Welt zu einen und zu einem besseren Ort zu machen".
"Ihr habt doch drei Buben"
Knapp 100 Mitfeiernde - überlebende ehemalige Bewohner des auf der Schüttinsel vor Bratislava gelegenen Ortes Bruck und deren Nachgeborene - waren zu dem Jubiläumstreffen in die Pfarre Stadlau gekommen. Dazu eingeladen hatte Pater Alois Saghy (88), der als Kind die Vertreibung ebenso miterlebt hatte wie der spätere Linzer Bischof Ludwig Schwarz (84) und der jahrzehntelange Leiter des Kinderdorfs St. Isidor in Leonding (OÖ), der 2018 verstorbene Johann Tanzer. Alle drei traten später dem Salesianerorden bei.
Rund 2.000 Bewohner von Bruck waren kurz nach Weltkriegs-Ende am 3. Juli 1945 gewaltsam aus ihren Häusern geholt und nach wochenlanger Festhaltung im Pressburger Aufhaltelager Patronka über die Grenze ins österreichische Kittsee getrieben worden. Viele fanden später in Grenzorten oder in Wien eine neue Heimat, andere in Deutschland oder Übersee. Ein ähnliches Schicksal erfuhren in der Slowakei 120.000 weitere Deutschsprachige, die infolge der sogenannten "Benes-Dekrete" zwangsvertrieben wurden.
Dass die im Exil lebenden "Brucker" bis heute eine besonders aktive Gemeinschaft leben, geht auf eine Initiative im Jahr 1984 zurück. Ein Mitglied der Dorfgemeinschaft, Gerti Cerko, beschwerte sich damals eher scherzhaft, "dass wir uns immer nur bei den Begräbnissen sehen". Ihr Gegenüber, Salesianerpater Josef Keler, habe ihr daraufhin mit Verweis auf die drei Priesterberufungen "ihr habt doch drei Buben, machts was" gesagt, berichtete Cerko bei der Jubiläumsmesse. In dem damals kontaktierten P. Saghy habe sie damals den Organisator der bis heute andauernden Treffen gefunden.
Versöhnung über Ländergrenzen hinweg
Aus den "Brucker Treffen", in dessen Rahmen beim Gottesdienstes stets auch für die Verstorbenen des Jahres gedacht wird, ist inzwischen eine länderübergreifende Versöhnungsinitiative geworden. Mehrere Erinnerungs-Bücher dokumentieren die Erlebnisse von 1945 und danach, eines davon wurde soeben auf Slowakisch übersetzt und von der Gemeinde Most pri Bratislave (Bruck) finanziert. Auch ein Erinnerungs-Kreuz in der Brucker Pfarrkirche sowie ein "Weg der Versöhnung" am Grenzübergang Kittsee halten die Versöhnungs-Bereitschaft der altersbedingt inzwischen dezimierten Brucker Bevölkerung von einst und der gegenwärtigen auch für die Nachwelt fest.
Erzbischof Bezak als diesjähriger Hauptzelebrant des Treffens hatte 2012 für Aufsehen gesorgt, als er drei Jahre nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Trnava von Papst Benedikt XVI. seines Amtes enthoben wurde. Die Hintergründe dieser Abberufung sind bis heute unklar, allgemein wird jedoch ein Zusammenhang mit dem Finanzgebaren Bezaks und seinen Vorwürfen gegen seinen Amtsvorgänger Jan Sokol und einer daraus folgenden Apostolischen Visitation angenommen. Zu einer Rehabilitierung durch Papst Franziskus kam es trotz einiger dahingehender Signale nicht. Für das Brucker Treffen kontaktiert wurde der fließend Deutsch sprechende Bischof, da er in Kittsee immer wieder als Aushilfsseelsorger tätig ist.
Quelle: kathpress