
Neues Küberl-Buch über Wirken der Caritas in der Nachkriegszeit
In seinem neuen Buch "Von der Kriegs- zur Friedenscaritas. Ihre Pionierarbeit in Österreich 1945-1951"skizziert der frühere Caritas-Präsident Franz Küberl eine erste Gesamtdarstellung und das Werden der Caritas Österreich, für deren Statuten und Wesen insbesondere die Umbruchjahre der Nachkriegszeit bis heute prägend sind. "Wir sind damals knapp der Hölle entronnen und manche waren in der Hölle", erklärte Küberl bei seiner Buchpräsentation am Donnerstagabend im Wiener "magdas Hotel". Das Buch sei eine Dokumentation dessen, was helfende Menschen in schwierigen Zeiten getan haben, "damit man aus der Hölle wieder in die Normalität kommt und eine Ahnung vom Himmel wiedererlangt", betonte Küberl im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress.
"Die Caritas, die während des Nationalsozialismus verboten war, stand 1945 vor der gewaltigen Aufgabe, nicht nur materielle Hilfe zu leisten, sondern auch seelische Wunden zu heilen", erinnerte der Wiener Caritasdirektor und Caritas Österreich-Vizepräsident Alexander Bodmann in seinem Grußwort und verwies auf Parallelen im Heute. "Das Buch macht deutlich, dass die Arbeit, die wir heute leisten, auf den Schultern derer ruht, die in den Nachkriegsjahren oft unter schwierigsten Bedingungen geholfen haben", so Bodmann. Küberls Blick in die Vergangenheit sei für das Weichenstellen für die Zukunft darum von besonderem Wert. Das "Wie" der Arbeit der Caritas habe sich im Laufe der Jahre durchaus verändert, doch das "Warum", der Grundauftrag der Hilfsorganisation, sei derselbe geblieben: "Not sehen und handeln".
Pionierinnen und Pioniere der Caritas
In seinem Buch beschreibt Küberl anhand von zeitgenössischem Bild- und Quellenmaterial aus diversen Diözesanarchiven die Herausforderungen der Nachkriegsjahre und die Leistung einer Reihe von Caritas-Pionierinnen und Pionieren, darunter etwa Jakob Weinbacher, der erste Direktor der Caritas Österreich, Hildegard Burjan, Gründerin der Schwersterngemeinschaft "Caritas Socialis" (1919) oder Josef Steinkelderer, der nach seiner Inhaftierung in Dachau mit dem Aufbau der Caritas in Innsbruck beauftragt wurde.
Küberl benennt zudem konkrete Arbeitsfelder der Caritas in den Jahren nach 1945: Lebensmittelsammlungen, Flüchtlingshilfen, Kindererholung, Familien- und Jugendhilfe oder Suchaktionen zur Ausforschung von Angehörigen - um ein Bewusstsein für die Geschichten der Menschen hinter den Zahlen zu schaffen, wie der Autor bei der Buchpräsentation betonte. Dabei unterstrich er die Leistung aller Laien, Geistlichen, Hilfsorganisationen, Ordensleute und karitativen Menschen im In- und Ausland, die in den strapaziösen Jahren der Nachkriegszeit geholfen haben, ohne selbst viel zu haben. Konkret nannte er als Beispiel die Wiener Caritas, die im Jahr 1945 mehr als 140.000 Kilo Lebensmittel sammeln konnte und die Zehntausenden österreichischen Kinder, die in den Westzonen Österreichs, der Schweiz oder in den Niederlanden zur Kindererholung aufgenommen wurden.
Die Solidarität, die in den schwierigen Jahren der Nachkriegszeit entstanden sei, wirke bis heute nach, erklärte Küberl im Interview mit Kathpress. Dass etwa "so viele Familien ihr Herz geöffnet haben, um Kinder aufzunehmen" sei vielen im Gedächtnis geblieben und so habe auch die Caritas in den letzten 50 Jahren in Notgegenden in aller Welt geholfen. Eine wichtige Auflage, die die US-amerikanische Katholikenhilfe für die Verteilung von Hilfsgütern in den Nachkriegsjahren aufgestellt habe, sei bis heute in den Statuten der Caritas verankert: "Hilfsgüter sind ungeachtet der Religion, des Geschlechts, der politischen Gesinnung oder Staatszugehörigkeit zu verteilen", so Küberl.
Volkscaritas
In seiner historischen Schau beschreibt Küberl auch den strukturellen Wechsel der Caritas nach 1945 weg von den selbstständigen regionalen Caritasverbänden hin zu den diözesanen Caritasorganisationen, die unter bischöflicher Leitung standen. Durchaus kritisch beschreibt Küberl das Werden der Caritas Österreich, die Neuaufstellung der Kirche und den Bildungsprozess neuer Formen der Zusammenarbeit in einer Zeit, die vom Begriff der Volkscaritas geprägt war. Im Interview mit Kathpress zeichnete er die Entwicklung von einer "monokratischen Organisation" zu einer "kooperativen Organisation" nach, "in der Geistliche, Laien und Ordensleute zusammenarbeiten".
Neben einem ungeschönten Blick auf die Grenzen der Caritasarbeit, auf die "Übermächtigkeit der großen sozialen Dramen" und den schwierigen Umgang mit Bittstellern, die in Notsituation "nicht immer Heilige sein müssen", kam Küberl am Donnerstag auch auf fortschrittliche und positive Entwicklungen der Caritas seit 1945 zu sprechen. Insbesondere betonte er die Vorreiterrolle der Caritas in der Frauenförderung. Die Gründung der Caritasschulen und Vorschulen für soziale Berufe hätte Ende der 1940er Jahre dazu beigetragen, dass tausende Frauen Bildung erhielten, an Führungspositionen gelangten und damit "wahrnehmen konnten, was ihnen zusteht".
Franz Küberl: "Von der Kriegs- zur Friedenscaritas. Ihre Pionierarbeit in Österreich 1945-1951", Wagner Verlag Linz 2024 erschienen.
Quelle: kathpress