Hilfsorganisationen warnen: Ukraine steht dramatischer Winter bevor
Nach mehr als zweieinhalb Jahren Krieg hat sich die humanitäre Lage in der Ukraine drastisch zugespitzt und dem Land und seinen Menschen steht ein dramatischer dritter Kriegswinter bevor. Darauf haben die Verantwortlichen der Hilfsaktion "Nachbar in Not" am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien aufmerksam gemacht.14,6 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer seien auf humanitäre Hilfe angewiesen und wüssten nicht, wie sie über den Winter kommen sollen, so Andreas Knapp, Vorstandsvorsitzender von "Nachbar in Not" und Auslandshilfechef der Caritas Österreich.
Russland habe durch seine pausenlosen Angriffe die ukrainische Energie-Infrastruktur so stark zerstört, dass tägliche Stromabschaltungen von mindestens fünf Stunden drohten und im Winter Heizung, Strom und Wasserversorgung längerfristig ausfallen könnten. Zudem seien die Menschen durch ständige Luftalarme und ein Leben in Angst körperlich und psychisch völlig erschöpft.
Knapp, der sich immer wieder in der Ukraine aufhält, erinnerte an den Blackout vom 26. August in Kiew, von dem acht Millionen Menschen betroffen waren. Leider ein realistischer Vorgeschmack auf den Winter, wie der Caritas-Auslandshilfechef warnte.
Im Rahmen der "Nachbar in Not"-Aktion des ORF sind die Hilfsorganisationen Caritas, Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund, Care, Diakonie, Hilfswerk, Malteser und Volkshilfe zusammengeschlossen. Bei allen laufen die Vorbereitungen auf die Winternothilfe auf Hochtouren.
Seit Monaten würden etwa beschädigte Häuser, Schulen und Gemeinschaftszentren durch Reparaturarbeiten, vor allem an Dächern und Fenstern, winterfest und beheizbar gemacht. Zusätzlich erhielten Privathaushalte Reparaturkits, die u.a. Planen, Nägel und Hämmer enthalten, "damit die Menschen zumindest einen Raum für den Winter beheizbar machen können", so Knapp.
Der Caritas-Auslandshilfechef appellierte an die Solidarität der Österreicherinnen und Österreicher, die Menschen in der Ukraine nicht im Stich zu lassen: "Oftmals sind es ältere Menschen, die nicht fliehen konnten und die jetzt vor dem Nichts stehen. Ihre Häuser sind zerstört, die Söhne im Krieg, die Töchter mit den Enkelkindern geflohen. Diese Menschen brauchen warme, altersgerechte und sichere Unterkünfte. Sie brauchen unsere Unterstützung."
"Nachbar in Not" statte Haushalte mit Öfen zum Heizen und Kochen sowie Brennmaterial aus. Mit Bargeld oder Gutscheinen würden zudem besonders gefährdete Gruppen, wie ältere Menschen oder Familien unterstützt, die durch den Krieg kein Einkommen mehr haben und ihre Energie-Rechnung nicht mehr bezahlen können. An Notwärme-Punkten erhalten Menschen eine warme Mahlzeit, medizinische Versorgung und psychosoziale Betreuung oder können z.B. ihr Mobiltelefon aufladen. Wärme- und Schlaf-Sets, die Decken, Schlafsäcke, Lampen und Thermoskannen enthalten, werden verteilt.
1.200 Gesundheitseinrichtungen zerstört
Über Mobile Gesundheitsteams, die oftmals mit umgebauten Rettungswägen - auch aus Österreich - unterwegs sind, berichtete Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes und Mitglied im "Nachbar in Not"-Vorstand. Das Rote Kreuz bemühe sich, die Gesundheitsversorgung vor allem in entlegenen Gebieten sicherzustellen. Derzeit seien 124 mobile Gesundheitsteams im Einsatz, weitere seien in Planung. Wo Heizung oder Wasserversorgung ausfallen, würden Krankheiten zunehmen, warnte Opriesnig. Russland habe laut WHO-Angaben seit Kriegsbeginn 2.000 Angriffe auf ukrainische Gesundheitseinrichtungen durchgeführt, 1.200 Einrichtungen seien zerstört worden.
Wasser- und Sanitärfahrzeuge kämen kurzfristig zum Einsatz, wenn keine Dusch- und Waschmöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen oder Trinkwasser aufbereitet werden müsse, berichtete Opriesnig weiter.
Hilfe kommt an
Pius Strobl, Hauptabteilungsleiter Corporate Social Responsibility und damit ORF-Leiter von "Nachbar in Not", berichtete von 2,7 Millionen Menschen, die bisher von den Hilfsaktionen von "Nachbar in Not" profitieren konnten. "Jeder Euro ist gut angelegt und kommt dort an, wo er am dringendsten benötigt wird", so Strobl wörtlich.
Die Pressekonferenz wurde auch vom ukrainischen Botschafter in Österreich, Vasyl Khymynets, besucht. Er dankte den Österreicherinnen und Österreichern für ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine. Die Hilfe gebe den Menschen Hoffnung und stärke sie in ihrem Kampf ums Überleben, so Khymynets. Er appellierte wie auch die "Nachbar in Not"-Verantwortlichen, in dieser Hilfe nicht nachzulassen.
Strobl dazu: "Die Hilfsbereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher war von Anfang an überwältigend. Bereits zum achten Mal rufen wir in den ORF-Medien zur Unterstützung der Menschen in der Ukraine auf und bitten die Bevölkerung in Österreich erneut, für unsere Nachbarn zu spenden. Jetzt, wo der Winter vor der Tür steht, ist es wichtig, die Menschen nicht im Stich zu lassen." Der ORF unterstützt die Hilfsaktion weiterhin mit Spendenaufrufen in Fernsehen, Radio und Online sowie Berichterstattung in allen Medien und Landesstudios.
(Website: http://nachbarinnot.ORF.at)
Quelle: kathpress