
Rechtsextremismusbericht: Debatte geht weiter
Von verschiedenen Seiten gab es zuletzt Kritik am Rechtsextremismusbericht des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW). Man werde zu Unrecht als rechtsextrem bezeichnet, der Bericht lasse Redlichkeit vermissen und verharmlose damit tatsächlichen Rechtsextremismus, so der Tenor der Kritik. Bernhard Weidinger vom DÖW, Projektleiter des Rechtsextremismusberichts, hat die Vorwürfe gegenüber der Kirchenzeitung der Diözese Linz (Ausgabe Nr. 6/2025) zurückgewiesen. Michael Prüller, Pressesprecher der Erzdiözese Wien, hat unterdessen in einem Kommentar in der "Presse am Sonntag" gemeint, dass der Bericht "ein Schuss ins Knie" sei und ein "verheerender Präzedenzfall für künftige Regierungen".
Weidinger sagte in der Kirchenzeitung wörtlich: "Eine bloße Nennung bedeutet keine Einstufung als rechtsextrem. Der 'Rechtskatholizismus' wird im Kapitel 'Rechtstendenziöse Subkulturen' behandelt. Schon der Einleitungssatz dieses Kapitels sagt, dass es hier um Phänomene geht, die nicht per se als rechtsextrem einzuordnen sind." Vielmehr gehe es in diesem Abschnitt um Berührungspunkte des "Rechtskatholizismus" mit Rechtsextremen und um Randbereiche, die als rechtsextrem zu qualifizieren seien.
Ein Beispiel für solche Berührungspunkte sei das gemeinsame Marschieren auf Demonstrationen, so Weidinger: "Das war zum Beispiel bei Protesten gegen die Rechte von LGBTQI-Personen, gegen eine vermeintliche Islamisierung und gegen die Corona-Maßnahmen der Fall. In diesen Fällen gingen im Untersuchungszeitraum regelmäßig auch Identitäre bei den Demos mit und haben zur Teilnahme aufgerufen." Inhaltlich sei das durch gemeinsame Feindbilder begründet.
Erwähnung findet im Kapitel "Rechtskatholizismus" auch der sogenannte "Marsch für das Leben", der das Thema Schwangerschaftsabbruch jährlich aufwirft. Darauf angesprochen, dass es doch eine legitime politische Meinung, mit der geltenden Fristenregelung nicht einverstanden zu sein, meinte Weidinger, dass es spätestens dann problematisch werde, "wenn Abtreibung mit dem Holocaust verglichen wird". Nachsatz: "Das ist auf einem dieser Märsche kürzlich geschehen."
Den Vorwurf, dass der Rechtsextremismusbericht zu einer "Verharmlosung der NS-Diktatur" beiträgt, konnte Weidinger nicht nachvollziehen, gerade weil der Bericht auch den Rechtskatholizismus nicht pauschal als rechtsextrem einstuft: "Ich sehe Verharmlosung vielmehr dort, wo in Abrede gestellt wird, dass es im Rechtskatholizismus ein Problem gibt. Es geht in dieser Diskussion ja nicht um persönliche Glaubenspraxis oder darum, dass jemand aus christlicher Motivation heraus politisch handelt. Vielmehr sehen wir in diesem Bereich zum Beispiel Forderungen, wonach der 'Wille Gottes' über der Verfassung zu stehen habe. Es werden teilweise Wünsche für eine Rückkehr zur Monarchie geäußert. Verharmlosend ist es, solche Aussagen einfach zur Seite zu schieben."
Wer behaupte, christliche Bezugnahmen könnten grundsätzlich nichts mit rechtem Gedankengut zu tun haben, der ignoriere gewisse historische und gegenwärtige Phänomene, so Weidinger.
Bericht sollte auf Gewaltbereitschaft abstellen
Der Wiener Diözesansprecher Michael Prüller hielt hingegen in der "Presse" fest, dass ein behördlich relevanter Extremist jemand sei, "der bereit ist, gegen Pluralismus und Rechtsstaat Gewalt anzuwenden". Von einem Rechtsextremismusbericht hätte er sich daher erwartet, "dass er das Gefahrenpotenzial zeigt und das, was der Staat dagegen tut oder zu tun gedenkt". Davon lese man im Bericht aber wenig - "und viel mehr darüber, wer sich im Umfeld der extremen Rechten umtut und wer im Umfeld dieses Umfeldes auftaucht". Ein Beispiel dafür sei der so benannte "Rechtskatholizismus".
Prüller: "Es gibt tatsächlich Katholiken, die einen autoritären Ständestaat wollen, aber das wären sogar für eine Sub-Subkultur zu wenige." Im Bericht lese man, dass die verbindenden Themen zu den Rechtsextremen "u.a. die Ablehnung von Abtreibung, Feminismus, Homo-und Transsexuellenrechten bzw. das Eintreten für heteronormative Familienverhältnisse, traditionelle Geschlechterrollen und eine rigide Sexualmoral" und die Ablehnung einer "vermeintlichen Islamisierung" seien. Der Bericht stelle das "konservative bis reaktionäre, autoritäre und in Randbereichen rechtsextreme Spektrum" zur Gänze und nicht nur in seinen extremen "Randbereichen" unter Verdacht, kritisierte Prüller.
Ein anderes Beispiel sei die Corona-Opposition. Obwohl sie sich einer "einer klaren Verortung im politischen Rechts-links-Kontinuum entzieht" und sich "Hinweise auf ein gewalttätiges Eskalationspotenzial" nicht erhärtet hätten, stopfe der Bericht dann doch die gesamte Szene ins Kapitel "Akteur*innen", und auch "rechts-unverdächtige" Aktivisten wie der Abtreibungsunternehmer Christian Fiala würden namentliche Erwähnung finden. Das sei deshalb nicht unerheblich, warnte Prüller, "weil ein solcher Bericht ja die praktische Funktion hat, das Ausgrenzungsurteil 'Der oder die kommt im amtlichen Rechtsextremismusbericht vor' zu liefern".
Das Problem solcher Berichte sei, dass sie bei der Zuweisung zum Extremismus nicht auf Gewaltbereitschaft abstellen, so Prüller. Er zitiert den Politikwissenschaftler Claus Leggewie, der davor warnte: "Je weiter sich ein (angeblich verfassungsschützendes) Denken vom Gewaltkriterium entfernt, desto bedenkenloser ist die dahinterstehende (meist unbewusste) Neigung, anstößige Meinungen, provozierende Kundgebungen und schrille Oppositionsparteien zu unterdrücken." Und Prüller ergänzte: "Mir graut vor einem spiegelbildlichen Linksextremismusbericht eines blauen Innenministers, der alle in den Extremismus eingemeindet, die jemals mit einem Anarchisten bei derselben Demo waren."
Quelle: kathpress