
Grünwidl: "Ich bin Pfarrer, aber kein Erzbischof"
Der Administrator der Erzdiözese Wien, Josef Grünwidl, sieht sich nicht als nächster Erzbischof von Wien, wie er in Interviews mit "Presse" und "Kurier" (Samstag) abermals klargestellt hat. "Ich gehe davon aus, dass diese klare Botschaft meinerseits in Rom angekommen ist", sagte Grünwidl, der seine Stärken in der Pastoral sieht, zur "Presse". Er wolle wieder näher bei den Menschen sein, sich geistlicher Begleitung und Verkündigung widmen. Obwohl auch ein Bischof mit Menschen Umgang habe, sei da "eine Ebene, die sehr viel mit Verwaltung, mit Sitzungen, mit Entscheidungsfindungen zu tun hat". Dass sich die Linie in Wien fortsetze, wieder ein einfacher Priester auf einen großen Theologen folge, schloss Grünwidl für sich aus: "Ich bin ein Pfarrer, ja, aber deswegen bin ich kein Erzbischof."
Die Frage nach dem neuen Erzbischof von Wien könnte also noch länger im Raum stehen. Auch Grünwidl bekräftigte, sich einen "guten Übergang" gewünscht zu haben, doch die lange Wartezeit sei kein Novum. "Ich möchte erinnern, vor 40 Jahren war die gleiche Situation", so der Apostolische Administrator. Nachdem Kardinal Franz König 1985 mit 80 Jahren als Erzbischof von Wien in Pension gegangen war, dauerte es fast ein Jahr, bis ein Nachfolger ernannt wurde. Auch forderte der interimistische Leiter der Wiener Erzdiözese "Verständnis für Rom", und stellte eine Relation her: "Pro Jahr werden 300 Bischöfe ernannt."
Auch im "Kurier"-Gespräch wies Grünwidl auf die große Zahl der jährlich anstehenden Bischofsernennungen weltweit hin. Für jeden dieser Bischofssitze gebe es etliche Kandidaten, die genauer angeschaut und überprüft werden. "Da kann man sich vorstellen, was das für ein Riesenaufwand ist." Sein persönlicher Wunsch für die Erzdiözese Wien sei, "dass bis zum Sommer eine Entscheidung getroffen wird, sodass wir im September mit Beginn des neuen Arbeitsjahres mit dem neuen Erzbischof beginnen können".
Glaube ist "freie Entscheidung" geworden
Über die Zukunft der Kirche in einer zunehmend säkularisierten Welt zeigte sich Grünwidl im "Presse"-Interview positiv gestimmt: "Aus einer katholischen Monokultur wird ein bunter Mischwald in der religiösen Landschaft." Der Glaube sei zu einer freien Entscheidung geworden, und diese Freiheit sei ein Fortschritt, habe doch Glaube immer auch mit Freiheit zu tun. Angesichts der sinkenden Katholikenzahlen müsse aber überlegt werden, wie die Struktur der Kirche verändert werden müsse. "Wenn ich 20 Kilo abnehme, muss ich mein Gewand irgendwann anpassen", stellte Grünwidl einen Vergleich her.
Strukturprozesse seien zum Teil auch schmerzlich. Es gebe Gemeinden, "die sich auf den Weg machen, Neues ausprobieren, sich bewegen und dazulernen". Es gebe aber auch Gemeinden, "die überfordert sind und jammern", legte Grünwidl dar. Diesen Menschen wolle er Mut machen. Er selbst schöpfe seine Hoffnung daraus, "dass die Kirche nicht nur Werk von Menschen ist". Ein Blick in die Kirchengeschichte zeige zudem, dass auf Abstürze und Abbrüche ein Neuaufbruch folgte. Auch Ostern gebe eine "große Hoffnung, die über unsere Welt und über unsere Vorstellung hinausgeht".
Auch auf die viel diskutierte "Frauenfrage" und die Diskussion um den Zölibat gab Grünwidl Antwort. "Ich bin dagegen, dass wir als Priester uns bemitleiden, weil wir zölibatär leben", sagte Grünwidl. Er könne sich vorstellen, dass es genauso schwer sei, einer einzigen Frau das ganze Leben lang treu zu bleiben. Eine Änderung der zölibatären Regelung ist für Grünwidl aber durchaus vorstellbar: "Dass das Priestertum mit Zölibat, mit dem ehelosen Leben, gekoppelt sein muss, sehe ich nicht so." Es habe Jahrhunderte ohne zölibatäre Priester gegeben. Denkbar sei auch der Ständige Diakonat für Frauen, jedoch nicht als Vorstufe zur Priesterweihe.
"Heilsame Dezentralisierung"
Im "Kurier"-Interview ging der Wiener Administrator auf die auch im Schlussdokument der Weltsynode festgehaltenen unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Ungleichzeitigkeiten innerhalb der katholischen Kirche ein. "Was uns zusammenhält, ist das Evangelium und der Glaube an Christus", sagte Grünwidl; die Spannung von Welt- und Ortskirche, von Einheit bei gleichzeitiger Vielfalt werde aber noch größer werden. "Und da braucht es wohl eine heilsame Dezentralisierung: Es muss nicht jede einzelne Frage für die gesamte Kirche von Rom aus geregelt werden."
Als eine der größten Herausforderungen für die Kirche in Österreich nannte Grünwidl einen immer diffuser werdenden Gottesbegriff bei den Menschen. "Es ist erfreulich, dass sich noch immer eine große Bevölkerungsgruppe in Österreich als religiös, spirituell bezeichnet. Aber wenn man genauer hinsieht, merkt man, dass das mit dem Gott der Bibel oder dem christlichen Gottesbild nur noch sehr wenig zu tun hat."
Quelle: Kathpress