
Fachleute ziehen Bilanz zum Pontifikat von Papst Franziskus
Das zwölfjährige Pontifikat von Papst Franziskus (2013 bis 2025) hat nachhaltige Eindrücke und Veränderungen hinterlassen - sei es die Öffnung der Kirche hin zur Weltkirche, die Weltsynode, das Anprangern von Missbrauch oder die klare Sprache bei Kriegen und Ausbeutung. In den österreichischen Kirchenzeitungen ziehen Theologinnen und Theologen sowie Kirchen-Expertinnen und -Experten ein Fazit.
Das kirchenrechtliche Vermächtnis von Franziskus liegt laut Myriam Wiljens, Professorin für Kirchenrecht an der Universität Erfurt, klar darin, dass die Kirche seit Franziskus "durch Solidarität und Nähe zu den Menschen die Barmherzigkeit Gottes verkündet". So habe er für wiederverheiratete Geschiedene neue Wege zur Teilhabe am kirchlichen Leben eröffnet sowie das Eheprozessverfahren vereinfacht. Auch der Missbrauch von Minderjährigen werde "nicht länger als Vergehen von Klerikern gegen ihre Verpflichtungen, sondern als Verletzung der Würde des Menschen eingestuft", meinte Wiljens. So würden auch Bischöfe und Kardinäle zur Rechenschaft gezogen und aus dem Klerikerstand entlassen werden können.
In Bezug auf die "Mitverantwortung aller für die Sendung der Kirche" habe Franziskus Laien - Männer wie Frauen - Stimmrecht bei der Weltsynode eingeräumt, Frauen in Führungspositionen berufen und als Richterinnen eingesetzt. "Insgesamt hat Franziskus durch zahlreiche Gesetzesänderungen die Rechte der Gläubigen gefördert", resümiert die Kirchenrechtlerin.
Öffnung der Kirche
Für den Wiener Pastoraltheologen Johann Pock steht die Öffnung der Kirche zur Weltkirche im Zentrum. Franziskus sei "an die Ränder" gegangen - geografisch wie sozial - und habe etwa eine Entschuldigung für die Kolonialisierung formuliert: Er "sprach sein Bedauern aus, dass Christen zum Prozess der sowohl politischen wie auch territorialen Beherrschung von Völkern beigetragen hatten".
Ähnlich der Religionswissenschaftler Ernst Fürlinger (Donau-Uni Krems), der besonders die "dialogische Haltung" des am Ostermontag verstorbenen Papstes gegenüber anderen Religionen betont. Franziskus habe etwa interreligiöse Freundschaften und gemeinsame Initiativen gegen globale Krisen gefördert. Höhepunkt sei das "Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen" gewesen, das er 2019 mit Großimam Ahmad Al-Tayyeb in Abu Dhabi unterzeichnete. Offengeblieben sei jedoch ein lehramtliches Dokument zur "Theologie des religiösen Pluralismus", so Fürlinger.
Bischof von Rom
"Nicht jeder Papst hat seine Aufgabe als Diözesanbischof von Rom so ernst genommen wie Franziskus", schreibt Michael Max, Rektor von Santa Maria dell'Anima in Rom. Der österreichische Theologe - er leitet seit 2020 das Päpstliche Institut in Rom als Rektor - erinnerte an die Öffnung des Lateranpalastes für Besucher und an Reformen in der Diözese Rom. Zur Ökumene merkt Max an: "Doch irgendwie blieb das Gefühl, dass der Papst hier eine pastorale Baustelle geöffnet hat, die [...] sein Pontifikat überdauern wird."
Auch Bernhard Eckerstorfer, seit Jänner Abt im oberösterreichischen Stift Kremsmünster und davor Rektor des Päpstlichen Athenaeums Sant'Anselmo in Rom, zeigte sich im "Kronen Zeitung"-Interview (Ausgabe 23. April) beeindruckt von der Nahbarkeit des Papstes: "Ich war immer wieder sehr beeindruckt, wie offen er jungen Menschen begegnet ist." Die letzten öffentlichen Worte des Papstes am Ostersonntag bezeichnete Eckerstorfer als "Abbild seines ganzen Lebens". Auf die Frage nach dem Konklave meinte er, dass "es diesmal länger dauern wird. Franziskus hat sehr viele neue Kardinäle ernannt, die sich untereinander noch gar nicht kennen. Ich glaube auch, dass das Wort von Kardinal Schönborn beim Vorkonklave einiges Gewicht haben wird."
Friedenspapst
Friedensforscher Thomas Roithner (Uni Wien) hebt Franziskus' "unermüdliche Botschaften für Frieden und gegen Krieg" hervor. Diese seien zwar teils missverstanden worden, "dennoch waren sie nicht umsonst". Auch seine Formulierung vom "Mut der weißen Fahne" habe Kritik ausgelöst, da sie als Aufruf zur Unterwerfung verstanden worden sei, obwohl Franziskus damit Verhandlungen gemeint habe. Franziskus habe aber besonders auf die Ursachen von Ungerechtigkeit und Armut hingewiesen und dabei die Würde der Betroffenen in den Mittelpunkt gestellt.
Für den Linzer Moraltheologen Michael Rosenberger gaben Franziskus' Impulse der Umweltbewegung und Klimapolitik "einen enormen Schub". Franziskus habe die Schöpfungsethik "drastisch verändert", weg vom Anthropozentrismus: "Franziskus sieht die Schöpfung als ein Lebensnetz und den Menschen als einen kleinen Teil darin." Dies wurzele auch in indigenen Spiritualitäten, wie er sie in Querida Amazonia würdigte. "Für mich persönlich wird Franziskus daher ein wichtiger Weggefährte in meinem Engagement bleiben", so Rosenberger.
Quelle: kathpress