
Kräutler: Franziskus stärkte Amazonien - und hätte mutiger sein können
Als großen Verteidiger Amazoniens und seiner Bewohner hat der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler (85) Papst Franziskus bezeichnet. Mit dem am Ostermontag verstorbenen Kirchenoberhaupt sei er viel enger als mit den sechs anderen Päpsten seines Lebens verbunden gewesen, erklärte der aus Vorarlberg stammende emeritierte Bischof der Prälatur Xingu in seinem am Montag an Kathpress übermittelten Nachruf. In pastoraler Sicht hätte er von Franziskus jedoch die "mutige Entscheidung" der Zulassung von Frauen zum Weihesakrament wie auch von ständigen Diakonen zum Priesteramt erwartet, die dann nicht gekommen sei - was er nicht verstehe, so Kräutler.
"Franziskus kannte unsere Probleme wie kein Papst zuvor und war auch stets um Amazonien besorgt", stellte Kräutler klar. Schon Jahre vor seinem Pontifikat habe er Jorge Mario Bergoglio bei der lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Aparecida kennengelernt, wo er "absolut unauffällig unter den anwesenden Bischöfen" gewesen sei. "Wer von uns hätte damals gedacht, dass der kommende Papst sich jetzt mit uns um die Definition der pastoralen Linien und Prioritäten für Kirche in Lateinamerika bemühte", so Kräutler. Als Papst habe Franziskus oftmals - auch beim Weltjugendtag in Rio 2013 - auf das Aparecida-Schlussdokument verwiesen und die Bischöfe aufgefordert, unerschrocken "das amazonische Gesicht der Kirche zu stärken".
Papst wollte "ökologische Bekehrung"
Ein unvergesslicher Moment sei für ihn die Privataudienz beim Papst am 4. April 2014 gewesen, Kräutler war damals Sekretär der Bischöflichen Kommission für Amazonien. Franziskus habe ihm damals offenbart, er schreibe gerade an einer Ökologie-Enzyklika, wobei es auch um Humanökologie gehen werde. Den österreichischen Amazonas-Bischof habe er damals eingeladen, dem dafür zuständigen Kardinal Peter Turkson seine Vor- und Ratschläge zu unterbreiten, was dieser auch unverzüglich tat. Als "Laudato si" zu Pfingsten 2015 herauskam, freute sich Kräutler, seine Anliegen - die eucharistische "Notlage", das physische und kulturelle Überleben der Indigenen Völker und die Zerstörung der "Mit-Welt" der Bewohner Amazoniens - zu finden.
"Dieses päpstliche Schreiben ist von bleibender Aktualität und betont, dass die Worte 'unterwerft und herrscht' von Genesis 1,28 kein Freibrief für eine skrupellose Ausbeutung der Naturgüter ist", so Kräutler über die Enzyklika. Die Worte aus dem Schöpfungsbericht würden darin vielmehr geschildert als "Auftrag an die Menschen, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen und nie das Recht auf Lebensqualität und gesunde Existenzbedingungen zukünftiger Generationen außer Acht zu lassen". Die vom Papst geforderte "ökologische Bekehrung" - der Denkweise, Weltanschauung und Handlungen - werde für das Überleben auf dem Planeten Erde entscheiden, so Kräutler.
Franziskus sei dann noch weiter gegangen und habe - auf eine entsprechende Forderung der Bischöfe Amazoniens im Jahr 2017 hin - eine Sondersynode für das gesamte Amazonasgebiet einberufen, "schneller als wir erwarten konnten". Die Abhaltung in Rom sei ein Beweis gewesen, "dass Franziskus die Rettung Amazoniens als Auftrag an die ganze Welt verstand" und nicht nur als Problem der neun Anrainerstaaten des größten Regenwaldes der Erde. Um "neue Wege für eine inkarnierte und inkulturierte Evangelisierung" sei es bei diesem Treffen dann gegangen, sowie um "ökologische Gewissensbildung in unseren Ortskirchen", um eine Verteidigung von Amazoniens "Mitwelt" sowie um den Abbau von Ungerechtigkeiten.
Keine Lockerungen
Weit genug gegangen sei der Papst dann aber nicht, räumte Kräutler ein. Trotz der auf der Synode dargestellten "eucharistischen Not" in den Diözesen Amazoniens, wo aufgrund von Priestermangel in manchen Regionen nur wenige Male im Jahr die Eucharistie als "das Zentrum und der Kern unseres Glaubens" gefeiert werden könne, habe sich Papst Franziskus nicht durchgerungen, Lockerungen für das Priesteramt und Weihesakrament vorzunehmen. Zumal er sonst "immer ausgesprochen sensibel auf alle Notsituationen des Volkes Gottes im Amazonasgebiet" reagiert habe, könne er nicht verstehen, so Kräutler, "was wirklich geschehen war oder welche die Gründe waren, die ihn hinderten".
Franziskus war "Image der Barmherzigkeit Gottes"
Dennoch werde Papst Franziskus für ihn und Amazonien unvergesslich bleiben: Seine Herzlichkeit und Einfachheit, seine Abkehr von Äußerlichkeiten, Prunk und Hofzeremoniell etwa. Vor allem "seine liebende Anteilnahme am Schicksal der Migranten, der Obdachlosen, Verlassenen und seine zärtliche Liebe zu den Kindern und zu Behinderten" hätten ihn fasziniert, so Kräutler. Er habe zudem vor dem "Anderssein" von Menschen, die gesellschaftlich ausgegrenzt und diskriminiert sind, großen Respekt gezeigt.
"Franziskus war so etwas wie das Image der Barmherzigkeit Gottes zu Menschen und ein Beispiel liebender Solidarität mit den Armen, wie Jesus sie uns vorgelebt hat", schloss der Amazonas-Bischof.
Quelle: kathpress