
"Tag der Herkunftsmütter" ehrt Mütter nach anonymer Geburt
Kaum ein Thema ist gesellschaftlich so werteüberladen und setzt Frauen so stark unter Druck wie Mutterschaft. Das betrifft ungewollt Schwangere, Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch, solche, die sich als Mutter nicht gut genug fühlen, keine Mutter sein wollen oder ihre Kinder in andere Hände geben. Im Vorfeld des Muttertags (11. Mai) gedenken verschiedene Organisationen diesen Müttern - besonders am Samstag davor, dem "Tag der Herkunftsmütter". Viele Frauen begehen ihren Feiertag nur im Stillen, denn während Mutterschaft hoch angesehen sei, bleibe das Thema Herkunftsmütter nach wie vor tabuisiert, erklärte Ulla Pongratz-Elsnig, Koordinatorin der Kontaktstelle "Anonyme Geburt" der Caritas Steiermark gegenüber dem steirischen "Sonntagsblatt" (aktuelle Ausgabe).
Der sogenannte "Birthmother's Day" wurde 1990 von betroffenen Müttern, die ihr Kind anderen überantwortet haben, in der US-amerikanischen Stadt Seattle ins Leben gerufen. Seit 2001 haben Frauen in Österreich die Möglichkeit, ihr Kind anonym im Krankenhaus zur Welt zu bringen. Heimliche Geburten mit Kindesweglegung sollen damit verhindert werden. Der Erlass über Straffreiheit im Zuge der anonymen Geburt habe gefruchtet, denn wie eine Studie der Uni Wien für die Jahre 2002 bis 2010 ergab, sei die Zahl der Säuglingstötungen in den untersuchten acht Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Von den knapp 77.000 Kindern, die in der Steiermark pro Jahr zur Welt kommen, werden etwa sieben zur Adoption freigegeben, wie das "Sonntagsblatt" berichtete.
Es war ebenfalls im Jahr 2001, als die damalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic eine Kontaktstelle einrichten ließ, in der Schwangere umfassend beraten werden sollten. Zwischen 50 und 60 Frauen nehmen dieses Angebot jährlich in Anspruch, berichtete Verena Reis von der Kontaktstelle "Anonyme Geburt" der Grazer Caritas dem "Sonntagsblatt". Seit Bestehen der Einrichtung wurden 172 anonyme Geburten betreut.
Keine leichtfertige Entscheidung
Die "typische" Herkunftsmutter gäbe es ebenso wenig wie den "klassischen" Weg einer Frau, die ihr Kind zur Adoption freigibt, erklärte Pongratz-Elsnig. Die Frauen seien zwischen 15 und 48 Jahre alt. Laut anonymisierter Statistik seien unter ihnen Schulabbrecherinnen ebenso wie Akademikerinnen, Erstgebärende und mehrfache Mütter. Nur eines hätten die freigebenden Mütter gemeinsam: "Keine von ihnen hätte je gedacht, einmal Herkunftsmutter zu werden." Die Frauen befänden sich in "multiplen Problemlagen", in von Gewalt geprägten Beziehungen oder hätten niemanden im Leben. "Keine Frau gibt leichtfertig ihr Kind in Obhut anderer." Sie blieben dennoch ihr Leben lang Mütter, darum gebühre ihnen Toleranz und Wertschätzung.
Den Adoptiveltern bietet die Kontaktstelle in der Steiermark die Möglichkeit, Gedanken an die Herkunftsmütter auf Karten festzuhalten, die dann auf der Website veröffentlicht werden. "Ich werde auf dein Kind achtgeben, solange ich lebe", "Ich verneige mich vor deinem Mut" oder "Du warst es, die diesem Kind das Leben schenkte - in einer schweren Situation", ist dort etwa zu lesen.
Auch die Herkunftsmütter haben die Möglichkeit, ihren Kindern etwas mitzugeben, teilte die Caritas Steiermark in einer Aussendung mit. Sie können in einem "Steckbrief" von sich erzählen, einen Brief hinterlassen oder einen persönlichen Gegenstand übergeben, um dem Baby "ein Stück von sich selbst mitzugeben", so Pongratz-Elsnig. Für die Kinder seien diese Hinweise beim Aufwachsen wertvoll, denn jeder Mensch stelle sich einmal die Frage nach seiner Herkunft. "Dann zu erfahren, dass es von Anfang an geliebt und einzig aufgrund einer verzweifelten Notsituation freigegeben wurde, ist für die eigene Entwicklung wichtig."
Beratungsangebot in Linz
In Linz bietet der Verein ZOE seit 25 Jahren Beratung für (werdende) Mütter und Väter bei Fragen rund um Schwangerschaft und Geburt an. Die Nachfrage steige, berichtete die stellvertretende Vorsitzende des Vereins, Michaele Kaiser, der Linzer Kirchenzeitung (aktuelle Ausgabe). Der Druck auf die Eltern nehme etwa auch aufgrund von Bildern "einer scheinbar perfekten (Familien-)Welt" in den sozialen Medien zu. "Wenn das Baby geboren ist, glauben Frauen, sie müssten, wenn es schreit, auf der Stelle wissen, warum es das tut, und sofort wissen, was zu tun ist", so Kaiser. Gleichzeitig herrsche oft der Irrglaube, dass sie auch noch "tolle" Ehe- und Hausfrau und am besten noch berufstätig sein müssten.
"Ich sage meinen Klientinnen immer, eine Mutter müsse nicht perfekt sein. Eine perfekte Mutter gibt es gar nicht, sondern sie muss gut genug sein", berichtete Kaiser. Frauen falle es aber meist schwer, über ihre Situation zu sprechen. Das Team von ZOE wolle ihnen den Druck nehmen und vermitteln, "dass es normal ist, auch einmal Zweifel zu haben, unglücklich in der Situation zu sein". Die Beratungsstelle sei aber auch für gewollt oder ungewollt kinderlose Paare da.
Was ZOE bereits seit Jahrzehnten fordert, sei eine Statistik zu den Gründen von Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich. Österreich sei eines von nur drei Ländern in Europa, wo es keine solche Erhebung gebe. "Erst wenn man weiß, warum Frauen oder Paare eine Schwangerschaft abbrechen, kann man auch Gegenmaßnahmen ergreifen", so Kaiser. Und nur so könne man sehen, was die Betroffenen bräuchten, "um sich vielleicht doch für ihr Kind zu entscheiden".
Quelle: kathpress