
Maler Triegel: Fragen stellen ist die wichtigste Aufgabe von Kunst
Die transzendierende, das Diesseits überschreitende Kraft der Kunst hat der Leipziger Maler Michael Triegel bei einem Vortrag in Wien unterstrichen. Seine Bilder würden keine Antworten bieten, sondern seien "eigentlich immer Suchbewegungen". Überhaupt sehe er "die wichtigste Aufgabe von Kunst" darin, "Fragen zu stellen", sagte Triegel am Dienstagabend bei einer Veranstaltung unter dem Titel "Das Unsichtbare sichtbar machen" im Dekanatssaal der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Er habe manchmal gar das Gefühl, "dass viele Künstler in der heutigen Zeit ihre Ideologien bebildern, als dass sie Fragen stellen; dass sie vorschnell Antworten geben und gar nicht das Publikum ernst genug nehmen, eigene Antworten zu finden."
Triegel gehört zu den renommiertesten Künstlern der Gegenwart in Deutschland. Bekanntheit erlangte Triegel, der unlängst den Ehrendoktor der Theologischen Fakultät Leipzig erhalten hat, durch seinen Malstil der italienischen Renaissance und des Manierismus. Zu seinem Werk zählen auch Arbeiten der kirchlichen Kunst wie das Bild "Deus absconditus", Portraits von Papst Benedikt XVI. oder der Marienaltar im Naumburger Dom.
"Freiheit im Vertikalen gesucht"
In seinem Vortrag gab der Maler auch Auskunft über seine eigene religiöse Biografie: Geboren in der DDR, habe er gerade in der Religion und in religiösen Fragen eine eigene Form von Freiheit gefunden. "Ich habe meine Freiheit eher in der Vertikalen gesucht, wo die Horizontale mir eben allein durch die geschlossenen Grenzen verwehrt war", so Triegel.
Zu einer Art künstlerischer wie religiöser Initialzündung wurde ihm dann eine Romreise 1990 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. "Ich lief also da in meine Projektion der Via Appia hinein", erinnerte sich Triegel. Statt der erhofften Antike traf er auf Müll und Ernüchterung - eine symbolische Erfahrung. In den Katakomben des heiligen Sebastian habe ihm ein Franziskaner ein Palmensamenkorn geschenkt: "Er sagte, ich sollte ihn mit in den Norden nehmen und ihn beim Wachsen beobachten. Und er würde für mich in Rom beten, dass ich glauben könne." Der Samen ging verloren, seine eigene religiöse Suche indes begann, berichtete der Maler.
Tück bezeichnete Triegels Bilder als "originelle Sichtbarmachungen biblischer, christlicher und antiker Sujets", die den Faden überlieferter Bildwelten fortspinnen würden. Dazu zählt auch das viel diskutierte Bild "Deus absconditus" von 2014. Es zeigt ein verhülltes Kreuz vor schwarzem Hintergrund, flankiert von einer Kiste mit einer Christusfigur. "Vielleicht gerade, weil es ein Bild des Zweifels ist, ein Bild des Verlustes", sei es sein meistbesprochenes Werk. Der Berliner Künstlerseelsorger Georg Maria Roers nannte das Werk "ein spirituelles Bild", das durch seine Reduktion den Blick zwinge: "Es zeigt nicht, sondern entzieht - und genau dadurch öffnet es Räume."
Dass es solcher Räume bedarf, verdeutlichte Triegel mit einem Verweis auf eine anhaltende "Kapitalisierung der Gesellschaft": Materielle Dinge würden eine "ungeheure Wichtigkeit" bekommen und den "Aberglauben" befeuern, dass das Glück an der Steigerung des Bruttoinlandsprodukts hänge: "Wenn wir einfach noch mehr konsumieren, werden wir glücklich: Das sind Ersatzhandlungen, die nur versuchen, dieses Schwarz, dem wir uns vielleicht stellen müssen, wegzuschieben. Und durch die vielen Dinge, mit denen wir uns als Ersatz umgeben, wird der Raum um uns immer enger."
Quelle: kathpress