
Leo XIV. in früherem Interview: "Seelsorger, kein Manager"
Das Verständnis des neuen Papstes Leo XIV. von kirchlicher Leitung, Seelsorge und Verantwortung ist tief im Evangelium verwurzelt: Das offenbart ein Interview, das "Vatican News" unmittelbar nach seiner Wahl am Donnerstagabend veröffentlicht hat. Das bereits 2023 geführte Gespräch - der vormals in Peru wirkende Missionsbischof Robert Francis Prevost war damals gerade zum Präfekten des Bischofsdikasteriums ernannt worden, die Ernennung zum Kardinal stand erst bevor - offenbart zentrale Facetten seines geistlichen Profils und gibt einen Vorgeschmack darauf, was sein Pontifikat prägen wird.
Prevost beschrieb sich damals nicht als Funktionsträger, sondern als Mensch mit bleibender missionarischer Berufung: "Ich betrachte mich immer noch als Missionar." Dieser Grundton bestimme seinen Zugang zu Aufgaben - ob als Ordensmann, Bischof, Präfekt und nunmehr wohl auch zum Papst. "Einfach immer Ja zu sagen, wenn ich um einen Dienst gebeten wurde", sei eine Haltung gewesen, die ihn über Jahrzehnte getragen habe.
Das bischöfliche Amt ist nach den Ausführungen des damaligen Präfekten eine geistliche, nicht administrative Aufgabe. "Der Bischof ist Seelsorger, kein Manager." Prevost plädierte für eine Kirche, in der Autorität nicht Macht bedeute, sondern Dienst an anderen. Dabei hob er besonders die Nähe zu Menschen hervor, die das Wesen bischöflicher Leitung ausmachen müsse. Diese Nähe kennt vier Dimensionen: zu Gott, zu den Mitbrüdern im Bischofsamt, zu den Priestern und zum Volk Gottes. Nur wer diese Nähe lebe, könne als Hirte glaubwürdig sein, so der damals für die Auswahl von Bischofskandidaten zuständige Ordensmann.
Angesichts der zunehmenden Polarisierungen, die auch in der Kirche zu spüren sei, betonte Prevost die Verantwortung der Bischöfe für die Einheit. Spaltungen seien "eine sehr schmerzhafte Wunde", die der Kirche tiefen Schaden zufügten. Bischöfe müssten dieser Zersplitterung entschieden entgegentreten, indem sie Gemeinschaft, Partizipation und Mission lebten - Begriffe, die ihm auch im Blick auf den synodalen Weg besonders wichtig seien, sagte er damals.
Dabei ist für Prevost die Erneuerung der Kirche kein organisatorisches Projekt, sondern eine geistliche Aufgabe: "Ich glaube wirklich, dass der Heilige Geist in dieser Zeit in der Kirche sehr präsent ist und uns zu einer Erneuerung drängt." Der damalige Präfekt sprach von einer "neuen Haltung", die mehr sei als nur strukturelle Veränderungen. Vielmehr gehe es darum, zu lernen, "wirklich auf den Heiligen Geist und den Geist der Wahrheitssuche zu hören, der in der Kirche lebt".
Besondere Klarheit und Entschiedenheit legte Prevost in der Frage des Umgangs mit sexuellem Missbrauch in der Kirche zutage. Schweigen sei keine Lösung, sagte er: "Wir müssen transparent und ehrlich sein, die Opfer begleiten und ihnen helfen, denn sonst werden ihre Wunden nie heilen." Die Kirche habe hier eine "große Verantwortung", insbesondere auch die Bischöfe, die er als Seelsorger sowohl der Priester als auch der Überlebenden verstand. Ein Bischof "muss auch die Fähigkeit haben, zuzuhören und sich beraten zu lassen, und er muss psychologisch und geistlich reif sein", so Prevost.
Zum Thema Frauen in der Kirche erklärte der damalige Erzbischof, die Sichtweise der von Papst Franziskus in vatikanische Leitungsfunktionen bestellten Frauen sei eindeutig eine "Bereicherung", egal ob es sich um Ordensfrauen oder Laiinnen handle. Immer wieder brächten sie durch ihre Meinung eine andere Perspektive ein und leisteten so einen wichtigen Beitrag zu den Prozessen. "Ich denke, ihre Ernennung ist mehr als nur eine Geste des Papstes, um zu sagen, dass es hier jetzt auch Frauen gibt. Es gibt eine echte, sinnvolle Beteiligung, die sie bei unseren Treffen anbieten, wenn wir die Kandidatendossiers diskutieren."
Weiters betonte Prevost auch ein offenes, partizipatives Kirchenbild und seinen Wunsch nach einer stärkeren Einbeziehung des Volk Gottes in die Auswahl von Bischöfen, welche offener gestaltet werden sollte. "Wenn ein Kandidat niemandem in seinem Volk bekannt ist, ist es schwierig - nicht unmöglich, aber schwierig -, dass er wirklich Hirte einer Gemeinschaft werden kann." Bischöfe sollten weiters "praktisch sein", ohne dabei seine geistliche Identität zu verlieren: "Wichtig ist auch, dass wir nie die geistliche Dimension unserer Berufung vergessen. Sonst besteht die Gefahr, dass wir zu Managern werden und wie Manager denken."
Vielleicht ist es dieser klare Fokus auf das Wesentliche, der Robert Francis Prevost schließlich zur Wahl zum Papst Leo XIV. führte. Seine Worte aus dem Jahr 2023 klingen heute programmatisch für das Pontifikat: "Unsere erste Aufgabe besteht darin, die Schönheit und die Freude, Jesus zu kennen, zu vermitteln."
Quelle: kathpress