
Leo XIV. vor Papstwahl: Franziskus hinterließ reiches Erbe
Noch wenige Tage vor seiner Wahl zum Papst, unmittelbar nach dem Tod seines Vorgängers Franziskus, hat Leo XIV. in einem Interview mit den vatikanischen Medien seine tiefe persönliche Wertschätzung für den verstorbenen Pontifex ausgedrückt. Kardinal Robert Francis Prevost, vormaliger Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, würdigte darin das geistliche Erbe von Franziskus, seine pastorale Nähe zu den Armen und seine unermüdliche Hingabe an die Kirche, geht aus einem am Donnerstagabend in der spanischsprachigen Ausgabe von "Vatican News" veröffentlichten Bericht hervor.
Erstmals begegnet war Prevost dem damaligen Erzbischof Jorge Mario Bergoglio demnach kurz nach der Jahrtausendwende, er selbst war damals Generalprior des Augustinerordens. "Ich hatte immer den Eindruck, es mit einem Mann zu tun zu haben, der das Evangelium authentisch und konsequent leben wollte", erklärte der nunmehrige Papst im besagten Interview. Der Kontakt zwischen den beiden intensivierte sich mit der Wahl Bergoglios zum Papst im Jahr 2013.
Franziskus erinnerte sich und kam
Besonders erinnerungswürdig sei für Prevost die erste öffentliche Messe des neugewählten Papstes Franziskus am 13. März 2013 in der Pfarre Santa Anna im Vatikan gewesen, wo er als Augustiner tätig war. "Ich fragte mich, ob er sich an mich erinnern würde, und als er kam und die Sakristei betrat, sah er mich, erkannte mich sofort und wir begannen zu sprechen", berichtete Prevost.
Noch im selben Jahr lud Prevost, damals weiterhin Generalprior, Franziskus ein, die Eröffnungsmesse des Generalkapitels der Augustiner am 28. August zu feiern. "Zur Überraschung aller" habe der Papst die Einladung angenommen. "Er kannte diese Kirche gut", so Prevost, da Bergoglio als Kardinal regelmäßig in der nahegelegenen Casa del Clero übernachtet und das Grab der heiligen Monika besucht habe.
Ein zentrales Thema der Erinnerungen Prevosts an Franziskus war die "Nähe des Papstes zu den Armen und Leidenden". Als Bischof von Chiclayo in Peru habe er regelmäßig Audienzen mit ihm gehabt. "Er fragte mich: 'Wie geht es dir? Wie laufen die Dinge?'" Franziskus habe sich stets um die Menschen in Peru gesorgt. Besonders bewegend sei eine Begegnung während der Apostolischen Reise nach Peru im Jahr 2018 gewesen, als eine 99-jährige blinde Frau aus Prevosts Diözese eigens nach Trujillo reiste, um Franziskus zu sehen. "Er stieg aus dem Wagen, näherte sich ihr und begrüßte sie."
Für Prevost zeigten solche Gesten, "in seiner wunderschönen Menschlichkeit", dass der inzwischen verstorbene Papst das Evangelium nicht nur verkünden, sondern "leben und weitergeben" wollte. Die Freude des Evangeliums, wie sie in der Exhortation Evangelii gaudium thematisiert wird, sei ein Leitmotiv des Pontifikats von Franziskus gewesen: "die Freude am Evangelium, am Glauben, an der Erkenntnis Jesu Christi zu leben."
Migranten-Engagement
Auch das Engagement Franziskus' für Migranten hob Prevost hervor. Vom ersten Besuch in Lampedusa bis hin zu seinem letzten Brief an die US-amerikanischen Bischöfe im Februar über die Notwendigkeit, "den Leidenden nahe zu sein und das Herz Jesu Christi zu haben", habe Franziskus kontinuierlich Zeichen der Solidarität gesetzt. Besonders eindrucksvoll sei sein letzter Besuch im Gefängnis Regina Coeli am Gründonnerstag gewesen - trotz gesundheitlicher Probleme. "Ein Geste, die alles sagt: sein Wunsch, auch unter Schmerzen, bei den Gefangenen zu sein, ihnen Nähe und Liebe zu zeigen."
Während seiner Amtszeit als Präfekt des Bischofsdikasteriums traf Prevost den Papst zwei Jahre lang jeden Samstagmorgen. "Bis zum Ende wollte er alles für seinen Dienst an der Kirche geben." Häufig habe Franziskus die Treffen früher begonnen als geplant. "Oft hatte er die Themen bereits studiert, bevor ich kam, und wusste, welche Entscheidungen er treffen wollte." Der frühere Pontifex, so Prevost, "sehr gut informiert" gewesen und habe sich auch über andere Dikasterien eingehend informiert.
Franziskus habe ihn oft mit einem Lächeln erinnert: "Verliere nicht den Sinn für Humor, du musst lächeln." Er habe wiederholt auf das Gebet des heiligen Thomas Morus verwiesen, um Mut und Zuversicht in Zeiten großer Verantwortung zu vermitteln.
Konzil "weitermachen"
Auch das Thema der Kirchenreform war für Prevost zentral im Verständnis von Franziskus' Pontifikat. "Er hat uns allen diesen Geist vermittelt, weiterzumachen mit dem, was mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil begann - die Notwendigkeit, die Kirche immer zu erneuern, semper reformanda est." Die Kirche dürfe sich nicht zurücklehnen: "Wir dürfen nicht stehen bleiben, wir dürfen nicht zurückgehen."
Wesentlich sei zudem das Bild einer "armen Kirche, die mit den Armen geht", das Franziskus vermittelte. "Ich glaube, dass man die Botschaft des Evangeliums viel besser versteht aus der Erfahrung der Armen, die nichts haben, die versuchen, ihren Glauben zu leben und in Jesus Christus alles finden."
Auf die Frage nach dem Vermächtnis des verstorbenen Papstes antwortete Prevost, dies sei "schwer zu beantworten". Nach dem Tod - vor dessen Eindruck das Interview geführt worden war - sei das Innehalten angesagt gewesen. "Ich persönlich glaube, dass diese Zeit des Verlusts, der Trauer, zuerst in Stille, mit tiefer Reflexion, mit Dankbarkeit gelebt werden muss." Und weiter: "Ich werde viel Zeit brauchen, um zu schätzen, um wirklich zu verstehen, was der Papst mir, der Kirche und der Welt hinterlassen hat."
Quelle: kathpress