
Theologin: Maria Magdalena als "erste Apostelin" ernst nehmen
Am Gedenktag der heiligen Maria Magdalena (22. Juli) hat die Linzer Bibelwissenschaftlerin Andrea Taschl-Erber an die zentrale Bedeutung von Frauen in der frühen Kirche erinnert. Maria Magdala sei eine "enge Jüngerin Jesu, österliche Prophetin und Apostelin" und gehöre "zu den wichtigsten Gestalten in den Evangelien", erklärte die Professorin für neutestamentliche Bibelwissenschaft an der Katholischen Privat-Universität Linz in einem Interview mit dem Onlineportal "kath.ch" (22. Juli).
Am Gedenktag von Maria Magdala gelte es, "an die wichtige Rolle von Frauen in der Gründungsgeschichte zu erinnern und den Tag 'zu ihrem Gedächtnis' (vgl. Mk 14,9) zu feiern". Denn theoretisch müsste das Wissen um die Rolle von Maria Magdala auch Folgen für die heutige kirchliche Praxis haben: "Die Führungspositionen und Leitungsfunktionen der Frauen am Anfang ernst zu nehmen und danach die kirchliche Praxis auszurichten."
Zwar wachse mittlerweile das Interesse an Maria Magdala und anderen biblischen Frauengestalten, "dass nun aber das sich verbreitende Wissen um die grundlegenden Rollen dieser Frauen noch immer nur bedingt Wirkung in der Verteilung kirchlicher Leitungsaufgaben erzielt, lässt erstaunen", konstatierte Taschl-Erber.
"Apostelin der Apostel"
Maria Magdalena wird in der kirchlichen Tradition häufig als "Apostelin der Apostel" (apostola apostolorum) bezeichnet. "In der johanneischen Ostererzählung wird sie ausdrücklich vom Auferstandenen mit einer Botschaft gesandt - dies macht einen Apostel bzw. eine Apostelin aus", erläuterte Taschl-Erber. Die Sendung richte sich nicht an die Zwölf, sondern an die größere Gemeinschaft der Jüngerinnen und Jünger. Als erste Person, der der Auferstandene erscheint, und als von ihm mit der Osterbotschaft Beauftragte, "fungiert sie als die erste Apostelin", so die Neutestamentlerin.
In der Kirchengeschichte sei die Rolle Marias von Magdala lange überlagert worden, etwa durch eine Identifikation mit der Sünderin, so die Wissenschaftlerin: "Hier wurden mehrere Frauengestalten in eins gesetzt." Das Attribut des Salbgefäßes, das Maria Magdala zugeordnet wurde, finde sich in mehreren biblischen Erzählungen, etwa bei der anonymen Prophetin in Mk 14, bei der namentlich genannten Maria in Joh 12 sowie bei der "Sünderin" in Lk 7. Die Nähe dieser Texte zueinander sowie die Namensgleichheit hätten zu einer "Vermischung der Frauenfiguren" geführt.
Als einen weiteren Grund für die "Verwechslung" mit der Sünderin nannte Taschl-Erber das Eva-Motiv in der Auslegung der Ostererzählungen durch die Kirchenväter. Diese hätten Frauen mit Verweis auf die Sündenfallgeschichte "an ihren traditionellen Platz" verweisen wollen und die Verkündigung der Auferstehung durch Maria Magdalena als eine Art "Wiedergutmachung" der Verfehlung Evas gedeutet: "Dass diese bedeutende Frauengestalt durch patriarchale Projektionen und Strategien zur Sünderin abgestempelt wurde, ruft natürlich eine Reihe negativer Emotionen hervor", so das Fazit der Professorin.
Quelle: kathpress