
Caritas warnt vor EZA-Kürzungen: "Es geht um Menschenleben"
Die Kürzungen in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) stoßen bei Hilfsorganisationen wie der Caritas auf scharfe Kritik. Deren Vizepräsident Alexander Bodmann warnte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress am Donnerstag vor fatalen Folgen: "Wir sprechen von unmittelbaren Auswirkungen auf Menschenleben", insbesondere in Krisenregionen wie Gaza, Sudan, Ukraine oder Burundi. In Konfliktgebieten bedeute jede Kürzung, dass weniger Menschen mit Nahrung, Wasser, medizinischer Hilfe oder Bildung erreicht würden "und das hat unmittelbare Konsequenzen". Besonders betroffen seien vulnerable Gruppen wie Kinder, Schwangere oder ältere Menschen. Auch langfristige Entwicklungsprojekte könnten durch die weltweiten Kürzungen im EZA-Bereich Schaden nehmen.
Nötig seien echte Partnerschaften auf Augenhöhe und eine Entwicklungspolitik, die Systeme und Vernetzung stärkt, so Bodmann. Eine solche EZA könnte "auch besseren Handel und Beziehungen zur Folge habe, aber Sinn und Zweck kann es nicht sein. Es geht immer darum, Menschenrechte zu stärken und die Entschuldung voranzutreiben", stellte der Caritas-Vizepräsident klar.
Hintergrund ist eine Kürzung der bilateralen, von Österreich direkt gestaltbaren EZA bis 2026 um ein Drittel: Dieses soll von rund 220 auf rund 150 Millionen Euro sinken. Konkret geht es um die Mittel der Austrian Development Agency (ADA), der Fördereinrichtung des Bundes für EZA-Projekte, und um den Auslandskatastrophenfonds (AKF) für humanitäre Sofortmaßnahmen.
Aktuell liegt Österreichs EZA-Beitrag bei rund 0,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Damit ist die Bundesrepublik also weit entfernt von den 0,7 Prozent, zu denen sie sich bereits in den 1970er-Jahren im Rahmen der UNO verpflichtet hatte, erinnerte Bodmann. "Diese Kürzungen stehen in krassem Gegensatz zu den internationalen Zusagen, die Österreich zuletzt bei der UN-Konferenz in Sevilla bekräftigt hat", kritisierte der Caritas-Vizepräsident.
Globale Rückschritte mit dramatischen Folgen
Besonders gravierend seien die Auswirkungen auf die humanitäre Nothilfe. Internationale Organisationen wie UNICEF oder UNHCR müssten bereits jetzt Ernährungshilfen oder medizinische Programme einschränken.
Als negatives Beispiel nannte die Caritas auch das Ende der US-Entwicklungshilfebehörde (USAID) durch Präsident Donald Trump. Dieses sei "sehr abrupt, ohne Planung und ohne Ausstiegsszenarien" erfolgt, so Bodmann: "Ohne Übergang, ohne Absicherung brechen Hilfsprojekte - zum Teil mitten in der Krise - sofort weg. Das Problematische: Ohne Vorlauf lassen sich keine Alternativen aufbauen - Menschen in akuter Not werden plötzlich sich selbst überlassen." So habe sich die Gesundheitsversorgung in vielen Ländern des Globalen Südens bereits schlagartig verschlechtert. Live-Schätzungen des Impact Counter zufolge seien bereits über 123.600 Erwachsene und über 257.100 Kinder ums Leben gekommen (Stand: 24. Juli, 15 Uhr). Ähnliche Ergebnisse lieferte eine Lancet-Studie, die davon ausgeht, dass der Wegfall von US-Geldern bis 2030 über 14 Millionen Menschenleben kosten könnte.
Ein weiteres Negativbeispiel sei die Situation in Gaza, wo laut Bodmann "Menschen sterben, wenn sie sich um Hilfe anstellen. Und auch Hilfeleistende selbst sind von Hunger betroffen." Angesichts der erschütternden Bilder und Berichte urteilte der Caritas-Experte: "Was wir hier sehen ist das völlige Versagen des internationalen Schutzes der Zivilbevölkerung."
300 Millionen brauchen humanitäre Hilfe
Die Folge der weltweiten Kürzungen sei, dass weniger Menschen erreicht und weniger Projekte unterstützt werden können: "Das hat unmittelbare Auswirkungen auf konkrete Menschen, die nicht mehr versorgt werden können." Besonders UNO-Organisationen wie UNICEF oder UNHCR könnten aufgrund des Rückzugs wichtiger Geberstaaten ihre Nahrungsmittelprogramme nicht mehr im bisherigen Ausmaß aufrechterhalten. Bodmann verwies auf Zahlen, laut denen rund 300 Millionen Menschen weltweit auf humanitäre Hilfe angewiesen seien. Von diesen würden die Hilfsorganisationen aber schon jetzt etwa 60 Prozent nicht mehr erreichen. "Und die Kürzungen in vielen Ländern verschärfen diese Entwicklung massiv."
Langfristige Perspektive statt kurzfristiger Deals
Dringend nötig seien langfristige Perspektiven. "Entwicklung ist nichts, was in einem Jahr passiert. Sie braucht langfristige Verlässlichkeit", betonte Bodmann. Gerade in fragilen Kontexten wie im Südsudan oder Burundi gehe es etwa um den Aufbau funktionierender Systeme, wie in Verwaltung, Gesundheitswesen und Bildung. Ein Rückzug gefährde dies und verschärfe zusätzlich die Sicherheitslage, was langfristig auch negative Konsequenzen für Europa haben könnte, warnte der Caritas-Vizepräsident.
Als positives Beispiel nannte Bodmann die Kooperation mit lokalen Partnerorganisationen in Burundi oder Bildungsprojekte im Südsudan. Dort gebe es Schulen mit über 80 Kindern pro Klasse, Lehrerinnen verdienen teils weniger als Fahrer. "Wenn wir dort nicht langfristig investieren, fördern wir Ungleichheit."
Kritik an Instrumentalisierung und "Deals"
Kritisch äußerte sich Bodmann auch zur zunehmenden Instrumentalisierung von Entwicklungshilfe. Immer öfter würden Fördermittel an politische oder wirtschaftliche Bedingungen und Eigeninteressen geknüpft. "Wir haben nachhaltige Entwicklungsziele vereinbart und machen jetzt kurzfristige Deals", so Bodmann. Diese Strategie sei weder nachhaltig noch zukunftsfähig.
Ein weiterer Schwachpunkt seien die fehlenden Fortschritte bei der Entschuldung armer Länder: "Zwar wurde im Juli bei der UN-Konferenz in Sevilla endlich darüber gesprochen, aber konkrete Schritte fehlen weiterhin. Dabei tragen auch Gläubigerstaaten Verantwortung für die Schuldenlast."
Mit Blick auf die 2015 beschlossene "Agenda 2030" der Vereinten Nationen mit ihren 17 Nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) bleibt Bodmann verhalten optimistisch: "Die Nachhaltigkeitsziele waren eine große Errungenschaft. Bis zur Corona-Pandemie war die Richtung gut." Die Klimakrise, neue Kriege, wirtschaftliche Instabilität hätten jedoch die Notlagen verschärft und Fortschritte verlangsamt. Auch die Kürzungen im EZA-Bereich hätten zu einem Rückschlag geführt. Bodmann zeigte sich aber trotzdem überzeugt, dass es gelingen kann, die SDGs "weitgehend zu erreichen".
Abschließend betont der Caritas-Vizepräsident, dass EZA nicht allein Aufgabe des Staates ist: "Es gibt viele engagierte Unternehmen, Spenderinnen und Spender sowie die Zivilgesellschaft, die sich trotz allem für globale Gerechtigkeit einsetzen. Aber diese Arbeit kann die Lücken der Politik nicht kompensieren."
(Spenden für die Hungerhilfe: Erste Bank, IBAN: AT23 2011 1000 0123 4560, BIC: GIBAATWWXXX, Kennwort: Hungerhilfe, Online-Spenden: www.caritas.at/hunger)
Quelle: kathpress