
Caritas-Expertin: Österreich weiterhin ein Alkohol-Land
In Österreich ist Alkohol gesellschaftlich tief verankert: Etwa 370.000 Menschen gelten laut Expertenschätzungen als alkoholabhängig. "Österreich ist weiterhin ein Alkohol-Land", sagte dazu Yasmin Gogl, Sozialarbeiterin und Leiterin des Bereichs "Psychosoziales Wohnen und Gesundheit" der Caritas Steiermark, im Interview mit dem "Sonntagsblatt für Steiermark" (Ausgabe 24. Juli). Alkohol sei allgegenwärtig, beim Essen, auf Feiern oder beim Ausgehen. Gerade für alkoholkranke Menschen bedeute das einen enormen Druck: "Alkohol ist die einzige Droge, bei der man sich rechtfertigen muss, wenn man sie nicht nimmt", so Gogl.
Kritisch sei die alltägliche Funktionalisierung von Alkohol: "Wenn ich zum Beispiel ohne Bier abends nicht mehr einschlafen kann", sei das bereits ein risikobehafteter Konsum. Problematisch werde es, wenn Alkohol zur Bewältigung von Stress oder zur Entspannung gebraucht werde, da dann die Schwelle zur Sucht erreicht sei. Eine Abhängigkeit erkenne man unter anderem daran, dass die Arbeitsfähigkeit leide, das Denken vom Konsum dominiert werde und Betroffene ihren Alkoholkonsum zu verbergen versuchten, erklärte die Caritas-Expertin.
Gogl verwies zudem auf die Weltgesundheitsorganisation, die vor zwei Jahren revidierte, dass es ein gesundheitlich "unbedenkliches" Niveau an Alkoholkonsum gäbe. Die Risiken würden bereits beim ersten Tropfen beginnen.
In Graz hilft u.a. das Aloisianum - eine alkoholtherapeutische Wohngemeinschaft, mit Wohnmöglichkeit und Therapie für abstinenzmotivierte, alkoholkranke Männer und Frauen. Betroffene müssten jedoch den körperlichen Entzug bereits hinter sich haben. Diese sollte aber nicht selbstständig bewältigt werden: "Ein körperlicher Entzug bei einer schweren Alkoholsucht kann lebensbedrohlich sein." Stationäre Hilfe in einem Krankenhaus sei deshalb unerlässlich.
Eine positive Entwicklungen sieht Gogl bei Jugendlichen: Laut ESPAD-Studie 2024 hat sich der Anteil der 14- bis 17-Jährigen, die noch nie Alkohol konsumiert haben, seit 2007 vervierfacht. Der Anteil jener, die in den vergangenen 30 Tagen keinen Alkohol getrunken haben, habe sich verdoppelt. Zunehmend problematisch sei hingegen der Konsum neuer Produkte wie E-Zigaretten und Nikotinbeutel. Vielmehr sei die Altersgruppe 35+ als Hochkonsumierende relevant. Für strengere Regelungen - etwa beim Thema Alkohol am Steuer - zeigt Gogl ebenfalls sich aber offen: "Da könnte ich mir auch 0,0 vorstellen."
Alkoholsucht sei eine Krankheit, von der man lebenslang betroffen sei, so Gogl. Und: "Niemand sagen kann, ich werde nie AlkoholikerIn!" Wer problematisches Trinkverhalten beobachte, solle Betroffene ansprechen. Die Chance sei groß, "dass die Person froh ist, gesehen zu werden". Entscheidend sei, dass niemand zum Trinken gedrängt werde: "Es muss nicht heißen, niemand darf Alkohol trinken, aber man muss sich selbst fragen dürfen: Will ich heute Alkohol trinken?"
Ein Schlüssel sei etwa eine Feierkultur mit Alternativen zu alkoholischen Getränken. In Graz wird etwa ein "Soda Klub" angeboten, mit Musik und alkoholfreien Getränken.
Quelle: kathpress