
Sr. Herzig: "Gerechtigkeit beginnt mit Anerkennung ökologischer Schulden"
Ein ethisches, politisches wie wirtschaftliches Umdenken fordert die österreichische Ordensfrau Sr. Anneliese Herzig hinsichtlich der Verschuldung ärmerer Länder. Anlass ist das jüngste Vatikan-Dokument "Heiliges Jahr 2025: Nachlass der ökologischen Schuld" in dem das Dikasterium für ganzheitliche Entwicklung nicht nur einen weitreichenden Schuldenerlass für die ärmsten Länder, sondern auch die Anerkennung ökologischer Schulden als moralische Verpflichtung der Industriestaaten fordert. Sr. Herzig, Bereichsleiterin für Mission und Soziales in der Ordenskonferenz, sieht darin einen Aufruf zu struktureller Verantwortung und eine Umkehr von bloßem Almosendenken.
"Gerechtigkeit beginnt mit der Anerkennung der ökologischen Schulden", fasst Sr. Herzig in einer Stellungnahme auf der Website der Ordensgemeinschaften das vatikanische Dokument. Die ökologischen Kosten des jahrzehntelangen Ressourcenverbrauchs reicher Länder des globalen Nordens würden aktuell vorrangig die Staaten des globalen Südens tragen. Dies stelle neben der finanziellen Verschuldung eine strukturelle Last dar, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung massiv behindere.
Drückende Schuldenlast
"Oft übersteigt der Schuldendienst - Rückzahlung der Schulden plus Zinsrückzahlung - die Ausgaben für Gesundheit und Bildung. Ein Teufelskreis", fasst die Ordensfrau das Dilemma zusammen. Die finanzielle Verschuldung vieler Länder und die ökologische Schuld, die durch die jahrzehntelange Externalisierung von Umweltkosten durch Industrienationen entstanden ist, müssten gemeinsam betrachtete werden. Denn beides sei Ausdruck eines ungerechten Systems, das reformiert werden müsse. Ziel müsse eine internationale Finanzarchitektur sein, die Armutsbekämpfung und Umweltschutz miteinander verbindet.
Auch Papst Leo XIV. betont in seiner Friedensbotschaft die Notwendigkeit struktureller Veränderungen: Es sei unzumutbar, dass "Völker, die bereits durch internationale Schulden belastet sind, auch die Last der ökologischen Schulden der weiter entwickelten Länder tragen". Ohne grundlegende Reformen würden sich bestehende Ungleichheiten jedoch weiter verfestigen.
Sr. Herzig sieht insbesondere die Ordensgemeinschaften gefordert, sich in diese Debatte einzubringen: "Wir sind aufgefordert, ein Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu schaffen, unsere internationale Verbundenheit sichtbar zu machen und uns prophetisch in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen." Die Lebensform der Orden könne dabei selbst ein Zeichen für einen notwendigen Paradigmenwechsel sein.
Zu den inhaltlichen Impulsgebern des Vatikan-Schreibens zählt laut Sr. Herzig auch das jesuitische Afrika-Netzwerk JENA. Dessen Direktor, P. Charles Chilufya SJ, formulierte im Zuge der Veröffentlichung eine klare Kritik an bestehenden Verhältnissen: "Zu lange wurden die finanziellen und ökologischen Lasten, die dem Globalen Süden aufgebürdet wurden, nicht angegangen." Das Schreiben des Dikasteriums verstehe man daher als Anstoß für eine politische wie moralische Neubewertung internationaler Verantwortlichkeiten.
In einem begleitenden Text zur Eröffnung des Heiligen Jahres (Spes non confundit) erinnert der Vatikan an das biblische Grundverständnis: "Wie die Heilige Schrift lehrt, gehört die Erde Gott, und wir alle wohnen auf ihr als Fremde und Beisassen" (Lev 25,23). Daraus folge die Verpflichtung, "ungerechte und nicht zurückzahlbare Schulden zu erlassen und die Hungernden zu sättigen".
Quelle: kathpress