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Theologin und Hospiz-Experte: Suizid-Debatte braucht "leise Narrative"
Auf die Notwendigkeit, differenzierte Perspektiven auf das Lebensende sichtbar zu machen, haben die Moraltheologin Angelika Walser und der Geschäftsführer der Hospizbewegung Salzburg, Christof Eisl, im Interview mit der Kirchenzeitungs-Kooperationsredaktion (aktuelle Ausgaben) hingewiesen. Anlass war die öffentliche Auseinandersetzung mit dem assistierten Suizid des Autors Niki Glattauer in der Vorwoche, der eine breite Debatte über den Umgang mit Sterbewünschen und deren mediale Darstellung ausgelöst hat, sowie der Welttag zur Suizidprävention am 10. September.
Der von Glattauer bewusst gesetzte Tabubruch, öffentlich über den eigenen geplanten Suizid zu sprechen, bewerten die beiden Fachleute ambivalent. Zwar ermögliche er eine offene Auseinandersetzung mit Tod und Sterben, andererseits berge eine solche mediale Präsenz das Risiko von Nachahmungseffekten, wie sie durch Forschung belegt sind. Gerade deshalb sei es wesentlich, "auch andere Geschichten zu erzählen", erklärte Walser: "Es gibt Möglichkeiten, dem Tod würdevoll zu begegnen, ohne den Weg des Suizids zu gehen."
Auch Eisl warnte vor einer Polarisierung oder Idealisierung einzelner Fälle. Er betonte, dass in der Hospizarbeit nicht Krankheit oder Sterbeprozess im Vordergrund stehen, sondern der ganze Mensch mit seinen körperlichen, seelischen, sozialen und spirituellen Bedürfnissen. Dabei zeige sich häufig, dass Menschen, die mit Ängsten und Schmerzen in ein Hospiz kommen, überraschend neuen Lebensmut fänden und neue Lebensqualität entwickelten. Erfahrungsgemäß relativiere sich bei vielen der Sterbewunsch, wenn Leiden gelindert, Nähe ermöglicht und Selbstbestimmung gewahrt werden.
Dringender Informationsbedarf
Ausdrücklich wiesen Eisl und Walser auf die Notwendigkeit hin, diese "leisen Narrative" stärker in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern. Dass es in Österreich Alternativen der Hospiz- und Palliativversorgung wie Tageshospize, mobile Palliativteams oder stationäre Angebote gibt und diese für alle kostenlos sind, sei noch kaum bekannt, was auf dringenden Informationsbedarf deute. "Wir wünschen uns, dass diese leisen Narrative mehr Platz in der öffentlichen Wahrnehmung finden - auch wenn sie weniger spektakulär sind", so Hospizexperte Eisl.
Walser erzählte von einem Freund, der sich nach seiner Krebsdiagnose bei ihr gemeldet habe, um sein verbleibendes halbes Lebensjahr mit gemeinsamem Musizieren zu verbringen. Die Theologin kam dieser Einladung nach, jede Woche. Der Bekannte habe dann ein von Menschlichkeit erfülltes "stilles Ende" erlebt. Gute Palliativmedizin könne "verhindern, dass das Leiden als 'entwürdigend' empfunden wird", so die Moraltheologin.
Dennoch spielten auch die Wahrnehmung von mangelnder Fürsorge, fehlender Gleichbehandlung oder Überforderung im Gesundheitssystem in Entscheidungen rund ums Lebensende mit, so Walser weiter. Glattauer habe auf derartige wunde Punkte hingewiesen: Auf das Problem überlasteter Kliniken und Pflegepersonal, das sein Bestes gibt, aber nicht noch mehr leisten könne. Subjektiv aus Patientensicht könne dies als Verletzung der eigenen Würde erlebt werden, räumte die Ethikerin ein.
Lebensrettende Berichterstattung
Vor Nachahmung durch einseitige mediale Berichterstattung über assistierten Suizid hat anlässlich des Welttags der Suizidprävention weiters auch der Journalist und Autor Golli Marboe gewarnt. Wenn Medien "nur einen Weg vorstellen", böten sie Betroffenen in Krisen "nur eine Lösung an", sagte der Experte mit Blick auf die Causa Glattauer in der "Presse" (Mittwoch). Im Gegensatz dazu könne Berichterstattung, die auch Auswege und Unterstützung aufzeigt, "Leben retten". Genau das sei Ziel des jährlich vergebenen Papageno-Medienpreises, benannt nach der Figur aus der Zauberflöte, die in einer Krise durch Hilfe von außen Hoffnung schöpft.
Marboe betonte, dass "gerade bei psychischen Krisen" journalistische Sorgfaltspflicht geboten sei: "Es gibt nie das eine Rezept." Er kritisierte aktivistische Kommunikation, die einfache Lösungen anbiete und funktioniere "wie Werbung". Qualitätsjournalismus müsse dagegen "unterschiedliche Aspekte beschreiben" und dürfe keine "vermeintlich einfachen Lösungen als solche kommunizieren". Besonders heikel sei es, Angehörigen im Nachhinein Emotionen oder Einschätzungen zuzuschreiben: "Man darf in der Berichterstattung über Suizidalität - auch über assistierten Suizid - Angehörigen nichts in den Mund legen."
Quelle: kathpress