
Scheuer: Potenziale älterer Menschen wahrnehmen und würdigen
Der Linzer Bischof Manfred Scheuer hat dazu aufgerufen, die Potenziale älterer Menschen stärker wahrzunehmen und zu würdigen. Eine zukunftsorientierte Gesellschaft könne es sich nicht leisten, auf eine entsprechende Kultur der Altersfreundlichkeit zu verzichten, mahnte der Bischof in seiner Predigt bei der 50. Seniorenwallfahrt auf den Linzer Pöstlingberg. Der Maßstab der materiell verwertbaren Leistungsfähigkeit dürfe nicht der bestimmende sein, so der Bischof: "Es sind die Erfahrungen, das Wissen und der Überblick, aber auch die Entwicklungsfähigkeit und die Lernbereitschaft im Alter, die als Schätze da sind - es sind Potenziale, die man heben muss und nicht leichtfertig darauf verzichten darf."
Bischof Manfred Scheuer räumte in seiner Predigt ein: "Gar nicht so wenige ältere Menschen sagen mir: Ich bin nicht mehr viel wert. Ich kann nicht mehr arbeiten. Viele definieren sich in ihrem Leben durch Arbeit und Leistung. Arbeit ist sinnstiftend. Arbeit ist wichtig für das Selbstbewusstsein. Bin ich aber nichts mehr wert, wenn ich nicht mehr arbeiten kann?"
Der Bischof erinnerte in diesem Zusammenhang an drei zentrale Fragen des Innsbrucker Priesters Klaus Egger: "Was kann ich im Alter nicht mehr? Was kann ich noch, was geht nach wie vor? Was kann ich erst jetzt?" Diese drei Ebenen des Älterwerdens seien ein kostbares Angebot. "Der langsame Abschied und das leise Aufleben des inneren Menschen scheinen wie eine Kostprobe von dem zu sein, was uns in der Auferstehung erwartet", betonte Scheuer.
Gerade die dritte Ebene - "Was kann ich erst jetzt?" - eröffne nochmals ganz neue Perspektiven, so der Bischof: "So manches an bisher ungelebtem Leben kann erst jetzt aufleben: den Frühling mit seinen tausend verschiedenen Grün wahrnehmen und genießen; die Stille neu entdecken und einfach da sein; anderen und Gott Zeit schenken; Erinnerungen aufsammeln; die eigene Glaubensbiografie anschauen; alte Freundschaften aufleben lassen; das 'Alt-Werden' als ein Geschenk für eine letzte Lebensentfaltung annehmen."
Biologisch betrachtet gehe der Lebensbogen altersbedingt nach unten, spirituell betrachtet gebe es jedoch noch ein Wachsen und Werden. "Wenn ich mich nur an dem messe, was ich nicht mehr kann, nicht mehr habe und nicht mehr bin, dann wird mein Leben armselig und trostlos. Wenn ich jedoch dieses 'Nicht mehr' in seinen vielfältigen Variationen als Anstoß verstehe, meine Erinnerungen aufleben zu lassen, dann bin ich reich beschenkt", so Scheuer wörtlich.
Der Linzer Bischof feierte den Gottesdienst am Donnerstag in der Basilika Pöstlingberg mit rund 100 Seniorinnen und Senioren. Seit 1975 wird die Senioren-Wallfahrt von den Verantwortlichen für Altenpastoral der Diözese Linz organisiert. Im Heiligen Jahr 2025 mit dem Motto "Pilger der Hoffnung" stand die Veranstaltung unter dem Titel "Pilgerwege der Hoffnung" und fand in Kooperation mit dem Netzwerk der Spirituellen Wegbegleiterinnen/Pilgerbegleitung statt. Die Altenpastoral in der Diözese Linz umfasst zahlreiche seelsorgliche Angebote, die alten und alternden Menschen zugutekommt; etwa in Pfarren, Ordenseinrichtungen, Seniorenheimen oder Bildungshäusern. (Infos: www.dioezese-linz.at/altenpastoral)
Quelle: kathpress