
Polak: Jugendliche suchen verstärkt in der Religion Halt
Auf die zunehmende Bedeutung von Religion und Glauben für junge Menschen in Österreich hat die Pastoraltheologin Regina Polak hingewiesen. Anders als früher, seien die 14- bis 25-Jährigen derzeit die Altersgruppe mit der höchsten Zustimmung zu religiöser Praxis und Glauben an Gott, zitierte die Wiener Religionssoziologin in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" (Sonntag) aus Ergebnissen der heuer veröffentlichten Studie "Was glaubt Österreich?" - und lieferte einige Hintergründe und Erklärungsansätze für diese Entwicklung.
Einerseits hätten Jugendliche heute "eine gewisse Unbefangenheit" gegenüber Religion, erklärte Polak; nur etwa 20 Prozent von ihnen hätten in ihrer Kindheit oder Jugend Kontakt mit einer Religionsgemeinschaft gehabt, die Auseinandersetzungen der vergangenen Jahrzehnte hätten sie nicht erlebt. Zudem suchten junge Menschen verstärkt nach Orientierung, Begleitung und Halt in einer zunehmend pluralistischen Gesellschaft, in der verschiedene Glaubensrichtungen sichtbarer würden. Dies sei auch eine Reaktion auf die stärkere Präsenz junger Musliminnen und Muslime. "Christliche Jugendliche denken nun auch darüber nach, was sie eigentlich glauben."
Gegentrend zur Säkularisierung
Als bemerkenswertes Phänomen betrachtete Polak auch den Anstieg von Erwachsenentaufen bei jungen Menschen, insbesondere in der Erzdiözese Wien. Durchaus handle es sich dabei vorwiegend nicht um Konvertiten, sondern um Österreicherinnen und Österreicher. Eine ähnliche Gegenbewegung zur Säkularisierung zeige sich auch in Ländern wie Frankreich, Belgien und Skandinavien. Polak führte dies unter anderem auf den starken Wunsch nach Ritualen zurück, die für viele Jugendliche "Andockpunkt auf der Suche nach einem strukturierten Alltag" seien.
Junge Menschen entdeckten im Glauben zudem "etwas, das sie emotional sehr berührt", fuhr Polak fort, während sie von kognitiver Auseinandersetzung eher verunsichert würden - was eine Herausforderung für die Religionspädagogik sei. Ebenso wichtig sei die in der Religion erfahrbare Gemeinschaft, "in einer Zeit massiver Individualisierung, die mit Einsamkeit einhergeht", von der Jugendliche noch stärker betroffen seien als andere Bevölkerungsgruppen.
Im Hinblick auf moralische Fragen zeigte sich Polak, dass Jugendliche differenziertere Positionen einnehmen als oft angenommen. So sei die Zustimmung zu aktiver Sterbehilfe in der Altersgruppe 14 bis 25 deutlich geringer als im Bevölkerungsdurchschnitt von 61 Prozent. Dabei spielten religiöse Zugehörigkeit und Bekenntnis eine Rolle: Ablehnung äußerten vor allem junge Musliminnen und Muslime sowie orthodoxe und katholische Christinnen und Christen.
Österreich "kein gottloses Land"
Über den Rückgang der Kirchenaustritte in Österreich - von 85.163 im Jahr 2023 sank deren Zahl auf 71.531 im Jahr 2024 - zeigte sich Polak überrascht, nachdem frühere Studien eine tiefe Glaubenskrise und wenig Vertrauen in die Kirche gezeigt hatten. Die Theologin vermutete, dass die Austrittszahlen nun ein Plateau erreicht hätten. Auch wenn der traditionelle Glaube an Gott eingebrochen sei, gelte: "Österreich ist kein gottloses Land. Es gibt sehr wohl die Hoffnung auf oder die Erfahrung von Gott oder einem höheren Wesen."
Nachdem die Corona-Pandemie den Gottesdienstbesuch stark zurückgehen ließ, verzeichnet die jüngst veröffentlichte Kirchenstatistik für vergangenes Jahr wieder einen leichten Anstieg. Polak erklärte, dass Gottesdienste für viele Menschen ein Ort der Ruhe und der Hoffnung geblieben seien, gerade in Krisenzeiten. Außerdem hätten viele Pfarren ihr pastorales Angebot ausgeweitet und liturgisch neue Wege eingeschlagen, um offener auf Menschen zuzugehen. "Funktioniert die Pfarrgemeinde gut, ist sie noch immer ein wichtiger religiöser und sozialer Treffpunkt."
Quelle: kathpress