
Islamwissenschaftler plädiert für neue Art "abrahamitischer Theologie"
Mit einem Plädoyer für eine neue Form des interreligiösen Dialogs auf Basis einer gemeinsamen "abrahamitischen Theologie" hat der Münsteraner Islamwissenschaftler Prof. Ahmad Milad Karimi das Wintersemester an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien eröffnet. Karimi war Festredner beim "Dies facultatis" am Mittwochabend. Aus der realen Vielfalt nicht nur der religiösen Überlieferung der drei abrahamitischen Religionen, sondern auch ihrer unterschiedlichen und vielfältigen Theologien könne ein neuer interreligiöser Dialog erwachsen, der nicht auf einer je eigenen Wahrheit beharrt, sondern der sich "vom Glauben des anderen erschüttern und befragen lässt", so Karimi.
Eine solche Form "abrahamitischer Theologie fragt den je anderen Dialogpartner: Was bedeutet es für meinen Glauben, dass du glaubst, was du glaubst?" Tatsächlich habe der interreligiöse Dialog in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht und bestehe heute in "Begegnungen, die mehr sind als Diplomatie, die das Innere des Glaubens berühren". Zugleich aber sollten theologische Dialogführende sich befragen lassen, "ob sie bereit sind, sich vom Anderen wirklich infrage stellen und erschüttern zu lassen".
Erschütterung durch das Kreuz
Für ihn als Muslim stelle etwa die Betrachtung des Kreuzes eine solche tiefe Erschütterung dar, räumte Karimi ein: "Ich stehe da vor dem Kreuz und kann keinen Schritt weiter. Im Gekreuzigten sehe ich mich widergespiegelt. Ich bin erschüttert - und kann es gleichzeitig nicht glauben." Die Glaubensüberzeugung des Anderen - in dem Fall der Christen - führe ihn so näher an das Geheimnis der Vielfalt und alles übersteigenden Größe Gottes heran, erläuterte der Islamwissenschaftler. "Fremdheit ist kein Hindernis, sondern eine Gabe, die vor der Versuchung schützt, Gott in eigenen Bildern und Vorstellungen einzuschließen."

Prof. Ahmad Milad Karimi
Im interreligiösen Dialog dürfe es daher nicht darum gehen, Differenzen "diplomatisch zu glätten" oder nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen, "sondern Differenzen als Anfragen zu hören, in deren Spannung die Schönheit der anderen und der eigenen Religion aufleuchtet". In den Differenzen könne dann "Gott selber aufleuchten". "Seien wir also bereit, uns erschüttern zu lassen", so der abschließende Appell Karimis.
Fakultät hat Grund zu Feiern
Begrüßt wurden die Studierenden und Lehrenden von Dekanin Andrea Lehner-Hartmann und Vizerektorin Christa Schnabl. Schnabl verwies in ihren Begrüßungsworten auf das neueste THE-Ranking ("Times Higher Education Ranking"), bei dem die Universität Wien heuer erstmals unter den Top 100-Universitäten weltweit gelandet ist: Eine Top-Position, zu der auch die Theologie und die Religionsforschung beigetragen habe, so Schnabl.

Prof. Christa Schnabl
Als Erfolgsgeschichte würdigte Schnabl außerdem die organisatorische Angliederung des Instituts für Islamische Studien an die Katholisch-Theologische Fakultät. Dies sei innerhalb eines Jahres und entgegen nicht weniger kritischer Stimmen gelungen. Die Kooperation würde nicht nur in Studium, Forschung und Lehre fruchtbar sein, sondern man hoffe damit auch, den Religionsdialog zu stärken, so Schnabl.
Sowohl Schnabel als auch Lehner-Hartmann hoben schließlich hervor, dass mit "Religion in Europe" ein zukunftsweisendes Projekt im Bereich der ökumenischen Zusammenarbeit gelungen sei. Das gemeinsam mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät entwickelte, heuer gestartete Master-Studium sei ein innovativer "Meilenstein", so Lehner-Hartmann. Bestätigt worden sei das Bemühen der Fakultät um Internationalität und Interdisziplinarität schließlich durch einen breiten Evaluationsprozess, fügte die Dekanin hinzu.

Prof. Andrea Lehner-Hartmann
Herausragende Arbeiten gewürdigt
Im Rahmen des "Dies facultatis" wurden auch herausragende Master- und Promotionsarbeiten ausgezeichnet. Im Bereich der Masterarbeiten erhielten die Arbeiten von Bettina Graf, Fariza Bisaeva und Konstantin Aaron Moser jeweils Auszeichnungen. Im Bereich der Dissertationen wurden die Arbeiten von Florian Mayrhofer, Britta Konlechner-Mühl, Daniela Köder, Tamara Nili-Freudenschuß und Marleen Thaler ausgezeichnet.
Quelle: kathpress