
Kopftuchverbot an Schulen: Kritik mehrerer Religionsgemeinschaften
In der Schlussphase der Begutachtung zum geplanten Kopftuchverbot an Schulen bis zur achten Schulstufe mehren sich die kritischen Stimmen, insbesondere von Religionsvertretern. Bisher haben sich dazu die Evangelische Kirche, Freikirchen, die Altkatholische Kirche sowie die Islamische Föderation in Wien gemeldet. Sie sehen in dem Entwurf eine einseitige Benachteiligung religiöser Minderheiten, warnen vor gesellschaftlichen Spannungen und pochen auf die Religionsfreiheit. Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf für das geplante Kopftuchverbot können noch bis Donnerstag eingebracht werden.
Die Evangelische Kirche spricht von "Symbolpolitik, die sich an die Wählerschaft und gegen Musliminnen richtet" und verweist auf den Zustand der Demokratie, der sich "auch daran zeigt, wie sie mit Minderheiten umgeht". Zu befürchten sei im Fall eines Gesetzesbeschlusses eine einseitige Diskriminierung. "Der Zustand einer Demokratie zeigt sich auch daran, wie sie mit Minderheiten umgeht", heißt es in der Stellungnahme.
Gegen staatliches Neutralitätsgebot
Bereits in früheren Stellungnahmen hatte die Evangelische Kirche betont, dass das Tragen religiöser Symbole Teil der Glaubenspraxis und daher vom Staat zu respektieren sei. Ein pauschales Verbot religiöser Kleidung sei daher nicht mit dem Neutralitätsgebot vereinbar. Statt Verbote zu erlassen, brauche es einen bewussten Umgang mit religiöser Vielfalt sowie einen rechtlich und pädagogisch fundierten Rahmen für das interreligiöse Zusammenleben an Schulen.
Kritik äußerte die Evangelische Kirche auch daran, dass das Gesetz lediglich ein einziges religiöses Symbol ins Visier nehme. Bereits im Jahr 2020 hatte Bischof Michael Chalupka die damalige Aufhebung eines Kopftuchverbots durch den Verfassungsgerichtshof als "richtungsweisend" begrüßt. Auch jetzt warnt die Kirche vor einer gesellschaftlichen Polarisierung durch Gesetze, die insbesondere auf die muslimische Bevölkerung abzielen. Religion dürfe nicht zum Spielball parteipolitischer Interessen werden, hieß es.
Ähnlich kritisierte auch der Rat der Freikirchen eine "einseitige Diskriminierung" und stellte infrage, ob ein Gesetz, das sich auf ein einzelnes religiöses Symbol konzentriert, dem Neutralitätsgebot eines säkularen Staates entspricht.
Dialog statt Verbot
Entschiedene Ablehnung kam auch von der Altkatholischen Kirche Österreichs. Bischöfin Maria Kubin schrieb, dass die Gewissensfreiheit ein zentraler Wert sei - unabhängig von politischer, religiöser oder kultureller Ausrichtung. Zwar sei es legitim, darüber zu diskutieren, ob Kinder tatsächlich aus freiem Willen religiöse Kleidung tragen, ein gesetzliches Verbot lehne man jedoch aus mehreren Gründen ab. Genannt werden mögliche Loyalitätskonflikte zwischen Kindern, Eltern und Lehrpersonen, drohende Schulverweigerung, Gefährdung des Vertrauensverhältnisses zu Familien mit Migrationshintergrund, Armutsgefährdung durch Strafzahlungen sowie die geringe Integrationswirkung des Verbots. Die altkatholische Kirche plädiert stattdessen für einen "geduldigen interkulturellen und interreligiösen Dialog" zur Konfliktlösung.
Auch die Islamische Föderation Wien warnt vor negativen sozialen Folgen. Man befürchte, dass das Gesetz bestehende Vorurteile gegenüber muslimischen Mädchen verstärken und so zu weiterer Ausgrenzung führen könne. Ähnlich äußerte sich die Kultusgemeinde der Union Islamischer Kulturzentren.
Die Gewerkschaft der Pflichtschullehrer hingegen befürwortet den Entwurf grundsätzlich, da er das Ziel verfolge, Mädchen in ihrer Selbstbestimmung zu stärken. Kritisch sieht man aber den zusätzlichen Aufwand für die Schulen, insbesondere das verpflichtende Gespräch der Schulleitung mit der Schülerin im Fall eines Verstoßes. Die Gewerkschaft fordert, dass in solchen Fällen auch die Erziehungsberechtigten und eine Fachperson (etwa aus dem Schulqualitätsmanagement) einbezogen werden sollten. Schulen dürften nicht zu "Kontrollinstanzen mit sicherheitspolizeilichen oder verwaltungsstrafrechtlichen Aufgaben" werden, betont die Gewerkschaft.
Laut Daten der Europäischen Agentur für Grundrechte (FRA) haben 71 Prozent der befragten Musliminnen und Muslime in Österreich in den vergangenen fünf Jahren rassistische Erfahrungen gemacht. 27 Prozent berichten von Diskriminierung ihrer Kinder in Schulen - fast doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt.
Quelle: kathpress