
Moderne Sklaverei: Linzer Ausstellung lenkt Blick auf Menschenhandel
Mit der Sprache der Kunst zum Ausdruck bringen, wofür es keine Worte gibt: Seit mehr als zehn Jahren erinnert die kirchliche Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel - aktiv für Menschenwürde" anlässlich des Europäischen Tags gegen Menschenhandel (18. Oktober) mit einer Veranstaltung an das Schicksal von Millionen von Opfern. Vergangenen Freitag wurde in Kooperation mit der Sparkasse Oberösterreich und der Wiener Künstlerin Vivien Kabar die Ausstellung "PHÖNIX. Auferstehen aus dem Schweigen" in der Linzer Tabakfabrik eröffnet. Sie setzt sich in ihren Bildern mit Tabus, Identitätsverlust, innerem Überleben und dem seelischen Nachbeben von Gewalt auseinander - "mit dem Schweigen darüber, dass Frauen und Kinder auch heute noch versklavt, verkauft, misshandelt oder getötet werden", so Kabar.
Die Ausstellung verbinde Kunst mit tief empfundener Lebensrealität, finde Sprache für das Unfassbare, erklärte Schwester Maria Schlackl, Gründerin der vom Verein SOLWODI (Solidarity with Women in Distress) getragenen Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel - aktiv für Menschenwürde" bei der Eröffnung. "Im Wort Schweigen ist das Wort 'eigen' integriert. Es ist unsere Aufgabe, den Zahllosen im Dunkel Lebenden zum Auferstehen zu verhelfen, damit sie ihr eigenes Leben führen können", so die Ordensfrau.
Menschenhandel bleibt oft unsichtbar, weil Angst, Abhängigkeit und Scham die Opfer zum Schweigen bringen. Ihre genaue Zahl liegt im Dunkeln. Viele werden bedroht, haben keine gültigen Papiere oder fürchten Abschiebung. Gleichzeitig wird das Problem von Gesellschaft und Politik zu wenig erkannt oder verdrängt - aus Tabuisierung, Desinteresse oder wirtschaftlichen Interessen. "Schweigen ist das, was Menschen verschwinden lässt, während sie noch leben", betonte Kabar. Mit ihren Bildern wolle sie sichtbar machen, was übersehen wird. Sie widme sich dem, "was verschwindet, ohne dass jemand es bemerkt: dem gestohlenen Körper, dem gebrochenen Willen, der ausgelöschten Würde". Gewalt höre nicht dort auf, wo die Tat endet. Die Bilder drückten auch den "Kampf um die eigene Wiederauferstehung - die Geburt des Phönix" aus.
Auftrag "an uns alle"
Kunst spreche unmittelbarer zu den Menschen als Statistiken und Worte, erklärte Maximiliane Buchner, Kuratorin der Ausstellung, Kunsthistorikerin und Verantwortliche der Kunstrampe der Sparkasse OÖ. Sie vermöge es auch, die Menschen zu bewegen, neue Perspektiven aufzuzeigen, Betrachter zu motivieren, sich für etwas einzusetzen, sich zu empören, aufzustehen und ihre Stimme zu erheben, betonten Buchner und Martin Punzenberger, Vorstandsdirektor CFO der Sparkasse OÖ.
Die Ausstellung erfülle einen wichtigen Auftrag "an uns alle", weil sie Betroffenen eine Stimme gebe, sagte Stefan Pimmingstorfer, oberösterreichischer Caritasdirektor, in seinen Grußworten. Sie helfe, das Schweigen zu durchbrechen, schaffe Bewusstsein und "erinnert uns alle daran, dass Wegschauen keine Option ist".
"Menschenhandel ist kein fernes Problem, sondern leider Realität mitten unter uns", sagte Landtagsabgeordneter Michael Nell. Weltweit würden jedes Jahr Millionen Menschen - hauptsächlich Frauen - durch Täuschung, Zwang oder Gewalt ausgebeutet und zur Arbeit oder Prostitution gezwungen. Es brauche Aufklärung, Schutz der Betroffenen und entschlossenes Handeln gegen Täter. Der Kampf gegen die Ausbeutung sei aber nicht nur eine politische Aufgabe allein, auch Kunst könne dabei ein wichtiges Werkzeug sein, unterstrich die designierte Vizebürgermeisterin Karin Leitner.
Der Menschenhandel ist die zweithäufigste illegale Wirtschaft der Welt. Er steht häufig im Zusammenhang mit anderen Straftaten wie Drogenhandel, Schleuserkriminalität, Eigentumskriminalität, Geldwäsche und Dokumentenbetrug. Nach Zahlen der EU-Kommission vom Jänner 2025 ist die häufigste Form des Menschenhandels der zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und betrifft 49 Prozent aller Opfer - 92 Prozent davon sind Frauen. An zweiter Stelle steht die Ausbeutung der Arbeitskraft (37 Prozent aller Opfer, 70 Prozent davon Männer). Zehn Prozent aller Opfer in der EU sind Opfer von Kinderhandel. Zwei von drei Opfern sind Frauen und Mädchen.
Die Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel - aktiv für Menschenwürde in OÖ" (SOLWODI Linz) wurde 2014 von der Salvatorianerin Maria Schlackl gegründet. Im Vordergrund steht der Einsatz gegen Gewalt gegenüber Frauen, Zwangsprostitution und Menschenhandel. Mit Schwester Maria Schlackl engagieren sich auch P. Hans Eidenberger SM (Bildungshaus Greisinghof), Lore Beck (Evangelische Kirche A.B.), Michael Reisinger (Behindertenbetreuung) sowie Helga Prühlinger und Gaspard Nyungura (beide Missio OÖ). In Zusammenarbeit mit Ordensfrauen aus unterschiedlichen Gemeinschaften stehen sie im Verein SOLWODI (Solidarity with women in distress - Solidarität mit Frauen in Not) für Sensibilisierung, Bewusstseinsbildung und Vernetzung.
Quelle: kathpress