
Experten: Spiritualität macht Menschen resilienter im Umgang mit KI
Spiritualität kann und soll ein Weg sein, um Menschen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Informationstechnologie (IT) resilienter zu machen. Davon haben sich die in Wien an der Wirtschaftsuniversität lehrende Wirtschaftsinformatikerin und KI-Expertin, Sahra Spiekermann, und der Wiener Moraltheologe, Bioethiker und Priester, Prof. Matthias Beck, in einer Podiumsdiskussion über "Christentum und Künstliche Intelligenz" am Montagabend in der Wiener Pfarre St. Josef in Margareten, überzeugt gezeigt. Beide plädierten auch für alltagstaugliche und einfach vermittelbare ethische Regeln für den Gebrauch von KI und IT. Hierin könnte gerade die Kirche weltweit eine wichtige Rolle spielen, so Spiekermann. Es brauche eigens dafür formulierte "Zehn Gebote".
Spiritualität im Sinne einer Offenheit für Transzendenz unterscheide den Menschen von jeder Form von KI und mache ihn dagegen widerstandsfähiger, so Spiekermann. Der menschliche Geist erschöpfe sich nicht nur im rechnerisch-logischen Denken, sondern trete in intuitive Beziehung zur Welt und könne sie in ganzheitlicher Weise erfassen und verstehen. Diese Dimension unterscheide den Menschen von der technischen Welt, die ihm kalt entgegentrete. Die Kirche habe einen ästhetischen Schatz an Räumen, Musik und Ritualen und sollte ihn gezielt einsetzen, um die spirituell-transzendente Dimension des Menschseins zu stärken.
"Leider haben wir als Kirche zu oft von Moral gesprochen und zu selten Transzendenz vermittelt", konstatierte in diesem Zusammenhang Beck. Dies sei aber sehr gefährlich. "Wenn dem Menschen der Transzendenzbezug fehlt, läuft er Gefahr, in den Transhumanismus zu kippen", der sich in einer innerweltlichen und letztlich unmenschlichen Selbstoptimierung mittels genetischer Manipulation und Chip-Implantation erschöpfe.
Digitale Regeln und biblische Gebote
Spiekermann selbst ist Mitglied der kürzlich im September gegründeten "Future Foundation", die ihrerseits "Zehn Regeln für die Digitale Welt" formuliert hat. Dabei handelt es sich um knapp formulierte Leitsätze, die sowohl Individuen als auch Institutionen adressieren und sich bewusst am Sinngehalt des biblischen Dekalogs orientieren, wie die Wirtschaftsinformatikerin ausführte. Heißt es im biblischen Ersten Gebot "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben", so würde die erste KI-Regel "Erhebt digitale Technik nicht zum Selbstzweck" lauten. In beiden Fälle gehe es darum, etwas nicht zu Götzen zu machen. Ziel sei die Absage an jede Form von Idolatrie.
"Schreibt Maschinen keine Menschlichkeit zu" laute die zweite Regel und verweise auf den Sinngehalt des Zweiten Gebots. Dass IT und KI vermenschlicht würden, orteten Spiekermann und Beck dabei als eines der Kernprobleme. Weder seien ChatGPT bzw. KI intelligent, noch hätten sie ein Ich, Geist oder Bewusstsein. "KI denkt nicht, sondern rechnet, ChatGPT spricht nicht, sondern fabuliert, indem das Programm aufgrund der Wahrscheinlichkeiten von Wortfolgen in Sekundenschnelle ein Ergebnis auswirft." Das sei "beeindruckend clever, aber nicht intelligent", so Spiekermann.
"Du sollst den Tag des Herrn heiligen" heiße für die Digitale Welt: "Schafft Raum für Muße und analoge Begegnung", führte Spiekermann weiter aus. Sie verwies auf dramatische Langzeitfolgen von übermäßigem Smartphone- bzw. Social-Media-Konsum durch Jugendliche und sprach sich daher dezidiert für entsprechende gesetzliche Verbote für Kinder und junge Menschen aus. Mehr als bisher brauche es eine Bürgerbewegung dafür.
Gefahren für Medien und Demokratie
Stark unter Druck durch negative Auswirkungen eines ungeregelten Einsatzes von KI und IT seien laut Spiekermann demokratische Gesellschaftsordnungen, aber auch Medien. Journalismus dürfe nicht Technik- und KI-getrieben sein und sich nicht auf die Position einer "Letztverantwortung" zurückziehen. Es sei eindeutig zu wenig, wenn am Ende eines technikgetriebenen Prozesses ein Journalist darüber entscheidet, ob KI-generierte Inhalte freigegeben und publiziert werden. Vielmehr müsse Qualitätsjournalismus die Erstverantwortung tragen: Am Beginn müssten Intuition, Recherche und ein selbst verfasster Text bzw. Beitrag stehen, erst danach dürfe die KI für die Rechtschreibkontrolle oder das gezielte Ausspielen von Inhalten verwendet werden.
Es gehe ihr im Blick auf IT und KI nicht um eine technikfeindliche Haltung, sondern um einen verantwortungsvollen Umgang mit technischen Entwicklungen, so Spiekermann, die für ein "Value-based engineering" (VBE) plädierte. Damit ist die Entwicklung und der Einsatz technischer Systeme unter expliziter Berücksichtigung individueller und gesellschaftlicher ethischer Werte zu verstehen. "Werte ja, aber welche Werte und hoffentlich sind es auch christliche Werte", so Beck in einer ersten Replik auf diesen Ansatz, der aus zeitlichen Gründen jedoch nicht mehr weiter vertieft werden konnte.
Quelle: kathpress