
Pastoraltheologin Polak: Heimat ist mehr als Herkunft oder Nation
Heimat ist aus christlich-theologischer Sicht weder eine Frage von Besitz noch von nationaler Zugehörigkeit: Das hat die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak im Interview mit der Kirchenzeitung der Erzdiözese Wien "Der Sonntag" zum Nationalfeiertag am 26. Oktober betont. Heimat sei in der Bibel "ganz stark mit Beziehungsvokabeln verbunden: mit Treue, mit Hoffnung, mit Verheißung, mit Sehnsucht". Gleichzeitig gehöre "zum biblischen Heimatbegriff immer auch die Erfahrung der Heimatlosigkeit", so Polak und nannte etwa Abraham aus dem Alten Testament, der seine Heimat verlässt, um ins gelobte Land aufzubrechen. Auch die Kirche könne Heimat bieten, indem sie in einer pluralen Gesellschaft "Räume öffnet, in denen Menschen Unterstützung und Hilfe finden".
"Angesichts der vielen Krisen und der Pluralisierung von Lebenswelten sind überschaubare Gemeinschaften, in denen Menschen gemeinsam ihr Leben teilen, unverzichtbar", so Polak wörtlich. Heimat verstehe die Theologin aber nicht im Sinne "einer Bastion oder eines Fluchtortes, wo man sich zurückzieht, um mit der Welt draußen nichts mehr zu tun haben zu müssen", sondern Heimat sei "eine Gemeinschaft in Bewegung, die einander stärkt und stützt und die gleichzeitig im Sinn des Evangeliums die Gesellschaft mitgestaltet".
"Eine Kirche oder Gemeinschaften, die Heimat geben, sind gleichzeitig immer auch Gemeinschaften, die helfen, mit Erfahrungen der Heimatlosigkeit umzugehen", meinte Polak. Beides sei notwendig.
Im Alten Testament werde Heimat etwa sehr oft mit dem familiären Ursprung oder der Herkunft in Verbindung gebracht. "Denken Sie an Abraham, der seine eigene Heimat verlässt, um ins gelobte Land aufzubrechen, wo er mit seiner Sippe eine neue Heimat finden soll", brachte Polak ein Beispiel. Hier bekomme der Heimatbegriff eine Beziehungsdimension - "hin zu einer eigentlichen Heimat als Beziehung zu Gott", sagte Polak.
Häufiger als das Ankommen sei in der Bibel das Motiv der Heimatlosigkeit. "Moses führt sein Volk durch die Wüste, aber weder er noch das ganze Volk, das aus Ägypten auszieht, kommen ins gelobte Land. Die Existenzweise des Volkes Israel ist von Heimatlosigkeit geprägt." Nach der Heimkehr aus dem babylonischen Exil werde Heimat "verstanden als Rückkehr nach Israel - das hat aber keine nationalistische Bedeutung, sondern ist ein Motiv für die Treue Gottes, seinem Volk Zukunft und einen Ort zum Leben zu schenken".
Auch im Neuen Testament bleibe die Beziehungsdimension zentral: "Christen verstehen sich als Teil eines Volkes, das nicht durch nationale Grenzen definiert ist, sondern durch die Zugehörigkeit zu Jesus Christus. Wieder die Beziehungsdimension und die transzendente Dimension: Heimat ist eine Beziehung von Christen zu Gott in und durch Jesus Christus. Deshalb heißt es auch, unsere eigentliche Heimat ist der Himmel."
Auch kirchliche Rituale könnten Menschen helfen, sich beheimatet zu fühlen. "Rituale erfüllen mindestens zwei Funktionen. Einerseits eröffnen sie durch Stabilität und Wiederholung Raum, in dem ich zur Ruhe kommen kann. Gleichzeitig ermöglichen Rituale aber auch, Übergänge zu gestalten - in Situationen, in denen eine Sprache fehlt oder die schmerzhaft sind."
Polak betonte abschließend: "Der Ort ist nicht das Primäre, sondern die Beziehung zu sich selbst, die Beziehung zu anderen und die Beziehung zu Gott."
Quelle: kathpress