
Kardinal Schönborn: "Österreich braucht Orientierung"
Nie sollen die Menschen in diesem Land vergessen, dass es gar nicht selbstverständlich ist, in Freiheit und Frieden leben zu dürfen und sorgsam mit dieser Freiheit umgehen: Daran hat Kardinal Christoph Schönborn im Wiener Stephansdom anlässlich der traditionellen "Österreich-Feier" am Nationalfeiertag am Sonntag erinnert. Österreich, aber auch jeder einzelne brauche dabei Orientierung, Wegweiser und Handreichungen, "wie wir unseren Weg gehen sollen - als Land, als Gemeinschaft, in Pfarreien, Familien und ganz persönlich", so Schönborn.
Die beste Orientierung gebe das Evangelium durch konkrete, anschauliche und oft aus dem Alltag gegriffene Gleichnisse, nahm der Kardinal Bezug auf das Beispiel vom Pharisäer und vom Zöllner im Lukasevangelium. Jesus erzählt darin von einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt sind und die anderen verachteten.
"Verachtung ist eine große Wunde in Österreich"
"Plötzlich merken wir, Jesus spricht uns auch persönlich als Bürger in diesem Land an und vermutlich werden wir alle feststellen, dass uns mancher Spruch herausrutscht, der von Verachtung zeugt." Die Verachtung sei auch in Österreich eine große Wunde. "Früher haben wir etwa von den 'Tschuschn' gesprochen und was ist das für eine Basis für ein gutes Gedeihen in unserem Land?"
Auch ein verlesener Auszug aus dem Buch Jesus Sirach gebe drei wichtige Orientierungshilfen, fuhr der Kardinal fort: Gerechtigkeit, Gebet und das Wissen um den eigenen Tod und die Heimkehr zum Vater, "die uns alle in das richtige Maß stellt". Jesus bevorzuge niemanden. Er missachte nicht den Hilferuf der Waisen oder einer Witwe, die ihm ihren Jammer ausschüttet. "Hören wir auch den Jammer von Menschen, die ihre Heimat verloren haben und flüchten mussten, in unserem Land?", fragte Schönborn. Es gelte dankbar zu sein, in einem Sozial- und Rechtsstaat zu leben, in dem Grundrechte gelten.
Tradition
Der Wiener Stephansdom gilt, durch den nachkriegsbedingten Wiederaufbau, als Nationalkirche. Erheblichen Anteil an dem Wiederaufbau nach der Zerstörung des Jahres 1945 hatten die einzelnen Bundesländer, von denen in den Folgejahren jedes für sich einen Beitrag geleistet hat. Nach der Steiermark, Niederösterreich, dem Burgenland, Kärnten und Oberösterreich in den vergangenen Jahren richtete die Erzdiözese Wien die "Österreich-Feier" aus. Diese wurde heuer auch durch die großzügige Unterstützung der Wiener Bauinnung ermöglicht, die damit die Bedeutung des Baugewerbes für den Wiederaufbau des Landes unterstreicht, hieß es seitens der Erzdiözese Wien.
Die Musik nahm bei der Feier eine große Rolle ein. Hauptwerk war in diesem Jahr Franz Schuberts Messe in B-Dur, doch auch Johann Strauß (Sohn), der am Samstag (25. Oktober) seinen 200. Geburtstag gefeiert hätte, kam eine besondere Ehrung zu. So erklang seine berühmteste Komposition, der Walzer "An der schönen blauen Donau" nach der österreichischen Bundeshymne "Land der Berge". Bereits zur Zeit seiner Entstehung und nach der Befreiung Österreichs vor 70 Jahren galt der Donauwalzer als "insgeheime Hymne" zur Aufrichtung der Bevölkerung.
Zur Gabenbereitung wurde ein seltenes Ave Maria von Rudolf Weinwurm gesungen, das dieser nach einem Gedicht von Kaiserin Elisabeth ("Sisi") komponiert hat. Weinwurm leitete im Februar 1867 die Uraufführung des "Donauwalzers".
Eröffnet wurde der Gottesdienst mit feierlichen Bläserfanfaren und den gesungenen Mariazeller-Rufen. Dem schloss eine Lichterprozession durch den Dom an, begleitet von traditionellen Marienliedern. Den Abschluss der Feier bildet das feierliche Geläut der Pummerin, der größten Marien-Glocke Österreichs. Sie wurde zum Zeichen für den Wiederaufbau des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Weihe-Inschrift sollte an das Vertrauen und an die Dankbarkeit des österreichischen Volkes gegenüber der Gottesmutter erinnern: "Geweiht der Königin von Österreich, damit durch ihre mächtige Fürbitte Friede sei in Freiheit."
Quelle: kathpress