
Simmer zu Reformationstag: Trotz Relevanzverlust auch Zuversicht
Anlässlich des nahenden Reformationstages am 31. Oktober hat der evangelische Superintendent Michael Simmer nach knapp über einem Jahr im Amt eine gemischte Bilanz gezogen. Einerseits sei ein Traditionsbruch, verbunden mit einem Mitgliederschwund, feststellbar. Andererseits sei mit der Wahl von Cornelia Richter als erste evangelische Bischöfin eine positive Entscheidung mit "Signalwirkung" getroffen worden, so Simmer im "Kurier"-Interview (Montag). Er betonte: "Ich glaube, dass meine Kirche alles hat, was die Menschen brauchen."
Was die Feier des Reformationstages betrifft, an dem Evangelische der Veröffentlichung von 95 theologischen Thesen durch Martin Luther am 31.10.1517 gedenken, habe die Teilnahme daran in den Gemeinden stark abgenommen, weil viele gar nicht da seien. "Früher war das für evangelische Schülerinnen und Schüler ein schulfreier Tag, an dem in den Pfarrgemeinden Kinder- oder Jugendprogramme angeboten wurden", erklärte Simmer. Diese Möglichkeit, mit Kindern und damit den ganzen Familien in Kontakt zu treten und zu vermitteln, was dieser Tag bedeutet, sei mit den Herbstferien nun oft vorbei. "Und eine Beziehung mit Kindern und Jugendlichen aufzubauen, sollte ein Schwerpunkt in der Kirche sein", betonte der Superintendent.
Relevanzverlust
Dabei wäre es so wichtig, die Familien zu erreichen, denn die evangelische verliere so wie die katholische Kirche kontinuierlich Mitglieder. Schuld daran dürfte ein Traditionsbruch sein, dass Religion nicht mehr in dem Maße wie früher von den Eltern an die Kinder weitergegeben wird. Simmer: "Wir haben Fehler gemacht, haben uns zu sicher gefühlt, dass die Menschen mitbekommen, was wir vermitteln wollen. Alle Kirchen waren überzeugt, dass dieses System aus Taufe, Unterricht, Hochzeit, Beerdigung immer weiter geht".
Hinzu kämen Probleme bei der Betreuung der Pfarren vor allem im Waldviertel, wo es nur mehr zwei Pfarrgemeinden mit jeweils 500 Mitgliedern gibt. "Momentan geht es sich aus, aber auf lange Sicht wird es schwierig, weil einige Pensionierungen bevorstehen", sagte Simmer. Trotz relativ vieler Theologiestudierenden gebe es letztlich zu wenige, die dann Pfarrerin oder Pfarrer werden.
Hoffnungszeichen
Diese Entwicklungen seien nicht erfreulich, doch "wir dürfen uns nicht entmutigen lassen", sagte Simmer. Denn die Suche nach Spiritualität, was über die sichtbare Welt hinausgeht, sei ungebrochen. "Ich glaube, dass wir alles haben, was die Menschen brauchen, aber wir haben es schlecht kommuniziert. Jetzt ist es wichtig, als Kirche glaubwürdig zu vermitteln, wo Menschen Sinn, Orientierung, Geborgenheit, Mut und Zuversicht finden können."
Die Zeichen für eine solche "Reformation" seien nicht so schlecht, meint Simmer. Sein Optimismus habe auch mit jüngsten Personalentscheidungen zu tun. So wird ab 8. November Cornelia Richter als erste Frau an der Spitze der evangelischen Kirche in Österreich stehen. "Ich freue mich über diese Einheit und dass es die erste Frau an der Spitze ist. Das hat eine wichtige Signalwirkung." Dass die neue Bischöfin visionär denke, durchsetzungsstark sei und einen Schwerpunkt auf junge Menschen setzen wird, freue ihn. Auch zur Wahl des neuen katholischen Erzbischofs Josef Grünwidl könne er nur gratulieren. "Da ist eine Aufbruchsstimmung zu spüren."
Wie Simmer weiter ausführte, sei der Reformationstag nicht nur entscheidend in der evangelischen Geschichte, sondern habe inhaltlich auch heute eine große Relevanz. "Es ging um Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit, Bildung und darum, Haltung zu zeigen. Luthers berühmter Satz 'Hier stehe ich, ich kann nicht anders' kann so gesehen werden, dass man für seine Überzeugungen einsteht. Das ist aktueller denn je zuvor."
Michael Simmer (geb. 1982) wurde im März letzten Jahres zum Superintendenten gewählt, nachdem Lars Müller-Marienburg das kirchliche Leitungsamt im Oktober 2023 zurückgelegt hatte. Mit 1. September 2024 hat Simmer offiziell das Amt des Superintendenten angetreten, die feierliche Amtseinführung war dann am 29. September. Er ist der achte Superintendent der evangelischen Diözese Niederösterreich, wo rund 34.000 Evangelische in 28 Pfarrgemeinden leben.
Quelle: kathpress