
Wiener Wohnungslosenhilfe warnt vor steigender Obdachlosigkeit
Der Verband Wiener Wohnungslosenhilfe warnt, dass aufgrund von Einsparungen und dem Wegfall der Mindestsicherung für subsidiär schutzberechtigte Personen in Wien ab kommendem Jahr mehr Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen sein werden. Schon jetzt hätten die Nachwirkungen der Wirtschaftskrise, eine zunehmende Finanzialisierung des Wohnungsmarktes, steigende Arbeitslosigkeit und die Teuerungskrise zu steigenden Delogierungszahlen geführt, hieß es bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Im Bereich der Wohnungslosenhilfe dürfe es keine Kürzungen geben, forderte der Verband, dem etwa die Caritas und die St. Elisabeth-Stiftung der Erzdiözese Wien angehören.
"Um das Ziel der EU zu erreichen, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden, braucht es den gemeinsamen Willen aller politischen Ebenen, präventive und nachhaltige Ansätze weiter zu stärken", betonte Johanna Reithner, Leitung Soziale Arbeit in der Volkshilfe Wien. Das Ziel sei, weiterhin mehrdimensionale Unterstützungsangebote und Schnittstellen sowie strukturelle Rahmenbedingungen und verlässliche Finanzierungsmodelle zur Verfügung zu stellen, erklärte Nicole Meissner, Geschäftsführerin der St. Elisabeth-Stiftung.
Scham und Stigmatisierung
20.573 Menschen waren 2023 als obdach- oder wohnungslos registriert, davon 11.400 Menschen in Wien. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, weil viele Menschen verdeckt wohnungslos sind, wie aus dem von der Wiener Wohnungslosenhilfe vorgestellten Situationsbericht 2025 hervorgeht. Das treffe vor allem auf Frauen, junge Erwachsene und Geflüchtete zu, die in keiner Statistik auffallen.
Scham treibe oder halte gerade oft Frauen in Abhängigkeits- und Zweckbeziehungsverhältnissen. Wie aktuelle Zahlen zeigen, ist jede dritte Frau von Gewalt betroffen. "Die Kooperation mit Gewaltschutzzentren, die Aufklärungsarbeit, Prävention und Schnittstellenarbeit wirken gegen Hemmschwellen, Scham und Stigmatisierung und ermöglichen Wege aus der Gewalt hin zur Eigenständigkeit und Sicherheit", betonte Elisabeth-Stiftung-Geschäftsführerin Meissner. Diese niederschwelligen Möglichkeiten des Gewaltschutzes müssten gefördert werden.
Moderne Wohnungslosenhilfe
Der Situationsbericht unter dem Titel "Eine moderne Wohnungslosenhilfe muss..." präsentiere Best-Practices im Kampf gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit und "zeigt, was es braucht, um Menschen nicht nur vor Wohnungslosigkeit zu schützen, sondern auch Wege aus der Obdachlosigkeit zu ermöglichen", hieß es. Dazu zählten Präventions- und Gewaltschutzmaßnahmen, psychosoziale Begleitung, Angebote wie betreutes Wohnen und Housing First oder Arbeitsmarktberatungen. So unterschiedlich die Lebenssituationen seien, müssten auch die Maßnahmen flexibel sein.
"Die Wohnungslosenhilfe ist für viele Menschen ein wichtiges und oft das letzte Sicherheitsnetz. Um dieses nicht brüchig werden zu lassen, müssen wir mehr als nur Wohnraum anbieten. Es muss das Ziel einer modernen Wohnungslosenhilfe sein, Wohnmöglichkeiten in Kombination mit psychosozialer Unterstützung, Beratung, Bildungsangeboten und Arbeitsintegration zu schaffen", erklärte Meissner. Sie wies insbesondere auf die vulnerable Gruppe der Alleinerziehenden und deren Kinder hin.
"Über 50 Prozent der alleinerziehenden Menschen in Österreich sind stark armutsgefährdet, Tendenz steigend. Multiple Problemlagen, durch eine Person getragen und für mehrere Personen verantwortet, können nur durch ganzheitliche Ansätze gelöst werden", so die Geschäftsführerin der St. Elisabeth-Stiftung. Es brauche gezielte Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten, um Ein-Eltern-Haushalte abzusichern und vererbte Wohnungslosigkeit, Arbeitslosigkeit oder Bildungsarmut zu verhindern - etwa mittels Kinderbetreuungsplätzen und Unterhaltsgarantien, um sie strukturell sowie gesellschaftlich abzusichern.
Des Weiteren sei ein sozialpädagogisches Angebot in der Wohnungslosenhilfe für Kinder unerlässlich. Ein stabiles Wohnumfeld mit psychosozialer Begleitung und beruflicher Integration würde einen Weg aus der Wohnungslosenhilfe schaffen. Es reiche nicht aus, nur Wohnraum zur Verfügung zu stellen, "sondern erst die Kombination aus Wohnen, Beratung, Bildung und Arbeitsintegration schafft nachhaltige Stabilität und soziale Integration".
Quelle: kathpress