
Jesuit in Syrien: Religiöse Minderheiten leben weiter in Angst
Als andauernd "ängstliches Abwarten" empfinden die in Syrien lebenden Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten die Situation ein Jahr nach dem Sturz des Assad-Regimes: "Syrien ist weiter ein Pulverfass", zog der aus Oberösterreich stammende Jesuit Gerald Baumgartner, der heuer zum Priester geweiht worden ist und im syrischen Aleppo lebt und wirkt, in einer Aussendung der Päpstlichen Missionswerke Österreichs (Mittwoch) zum Jahrestag Bilanz.
Nie könne man sich lange in Sicherheit wähnen, denn ständig gebe es irgendwo kleinere Spannungen bis hin zu Schießereien - auch abseits jener Gewaltausbrüche, die es in die internationalen Medien schafften. Baumgartner berichtete, er habe etwa Ende November die Messe zum Christkönigsfest in Homs kurzfristig absagen müssen wegen einer Ausgangssperre, die man verhängt hätte, als der Mord an einem Beduinen-Ehepaar Ausschreitungen gegenüber Alawiten ausgelöst hatte.
Zumindest eine "Hoffnung auf Hoffnung" gebe es noch, so die Wahrnehmung des Ordensmannes. Er spüre im Advent die "große Sehnsucht der Menschen nach Stabilität und Frieden, und endlich wieder nach einem richtigen Weihnachtsfest". Dieses sei im Vorjahr kurz nach dem Regimewechsel großteils ausgefallen. Die Jesuiten bemühten sich daher, etwa mit Chorgesang für etwas Weihnachtsstimmung zu sorgen und so die Hoffnung hochzuhalten.
Einiges habe sich zum Positiven gewendet: So gebe es etwa seit drei Monaten wieder ausreichend Strom, und die Menschen hätten keine Angst mehr, offen zu reden. Baumgartner und seine Mitbrüder vor Ort versuchten diese Chance zu nutzen, durch gemischte Gesprächsgruppen von Alawiten, Drusen, Kurden, Christen und Sunniten, in denen Dialog gefördert wird. Was zumindest im kleinsten Rahmen gelinge, sei gesellschaftlich noch ein "langer, langer Weg", so Baumgartner.
Die Gesamtlage wird für die Christen freilich immer prekärer, ihr Anteil an der syrischen Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren durch die anhaltende Emigration von zehn auf nur noch zwei Prozent gesunken. Gerade in dieser Situation sei der Dialog mit anderen von großer Bedeutung. "Wir müssen präsent bleiben, und durch unsere Bereitschaft herausstechen, das Land wieder aufzubauen und eine nachhaltige Zukunft hier zu schaffen", so Baumgartner.
Ausführliche Berichte von der Situation der verbleibenden Christen in Syrien liefert die Missio-Zeitschrift "Alle Welt" in ihren kommenden Ausgaben. Ein Team von Missio Österreich hatte P. Gerald Baumgartner im Oktober in Syrien besucht. Weitere Blicke hinter die Kulissen liefern Chefredakteur Christoph Lehermayr, Fotograf Simon Kupferschmied und Projektmanager David Scheidl auch auf YouTube. (Infos: www.allewelt.at)
Quelle: kathpress