
2026 wird das erste Jahr, in dem allein Leo XIV. Papst ist
Am 6. Jänner 2026 endet mit der Schließung der Heiligen Pforte des Petersdoms das Heilige Jahr. Danach beginnt für den Vatikan unter Papst Leo XIV. faktisch ein neuer Zeitabschnitt. Zwar regiert der gebürtige US-Amerikaner schon seit seiner Wahl am 8. Mai 2025 den Vatikan und führt die katholische Weltkirche sowie die Diözese Rom. Doch das Heilige Jahr verlief in seiner inhaltlichen Ausgestaltung noch weitgehend nach den Vorgaben von Papst Franziskus. Auch die erste Auslandsreise des Papstes in die Türkei zum Konzilsjubiläum von Nizäa hatte Leo XIV. noch von seinem Vorgänger "geerbt", ebenso wesentliche Teile des Lehrschreibens "Dilexi te" über die Liebe der Kirche für die Armen.
Im neuen Jahr kann sich die Öffentlichkeit hingegen auf "Leo pur" einstellen - und das gilt in Stilfragen ebenso wie inhaltlich und personell. Einen Vorgeschmack davon, wohin die Reise geht, wird die von ihm einberufene Kardinalsversammlung am 7. Jänner geben. Es wird allgemein erwartet, dass es bei dem Konsistorium "kollegialer" zugehen wird als in den letzten Jahren des Franziskus-Pontifikats. Und dass es im "Senat des Papstes" wieder echte Beratungen über anstehende Grundsatzfragen der Kirche geben wird.
Wichtige Personalentscheidungen
Danach stehen etliche Entscheidungen an, die letztlich dann doch der Papst allein trifft - allen voran die zur Neubesetzung von Spitzenämtern in der vatikanischen Kurie. Das obligatorische Rücktritts-Gesuchs-Alter von 75 Jahren erreicht oder überschritten haben die Kardinäle Arthur Roche (Liturgie), Marcello Semeraro (Heiligsprechungen), Kevin Farrell (Laien und Familie), Kurt Koch (Ökumene) und Michael Czerny (ganzheitliche Entwicklung).
Als Laie erreicht im Oktober 2026 der Präfekt der Medienbehörde, Paolo Ruffini, die für seinen Stand vorgeschriebene Altersgrenze von 70 Jahren. Kardinäle können im Extremfall bis zum 80. Lebensjahr ihr Kurienamt behalten. Leo XIV. hat jedoch betont, dass er die Einhaltung der regulären Altersgrenzen in kirchlichen Spitzenpositionen für gut und richtig hält. Das gibt ihm Gelegenheit, demnächst fast die Hälfte seiner Führungsebene im Vatikan auszutauschen.
Die neuen Namen könnten dann Aufschluss geben über mögliche Richtungsänderungen im neuen Pontifikat. Das gilt etwa für das Amt des Liturgie-Präfekten. Denn Kardinal Roche galt unter Papst Franziskus als Mastermind hinter dem strammen Vorgehen gegen die katholischen Traditionalisten, deren Spielräume zur Feier der Alten Messe im vorigen Pontifikat drastisch eingeschränkt wurden. Ein neuer Liturgie-Präfekt könnte da eine neue, konziliantere Linie einläuten.
Vergleichsweise fest im Sattel scheint hingegen derzeit der Glaubenspräfekt, Kardinal Victor Fernández (63) zu sitzen. Zwar wird er von Konservativen als Hauptschuldiger für die Irritationen um die Segnung homosexueller Paare (mit der darauffolgenden innerkirchlichen Revolte der afrikanischen Bischöfe) gesehen. Doch hat er unter dem neuen Papst strittige dogmatische Themen, etwa die Frage nach der Rolle von Maria als "Miterlöserin", in einer Weise abgeräumt, die - so wie es Leo XIV. wünscht-, zur Befriedung innerkirchlicher Konflikte beiträgt.
Synodale (Sonder-)Wege
Im Frühjahr wird ein seit langem schwelender Konflikt auf der anderen Seite des kirchenpolitischen Spektrums den dann fast schon ein Jahr regierenden Papst dringlich beschäftigen. Nach der mutmaßlich breiten Zustimmung der Vollversammlung des deutschen Synodalen Wegs sowie der Vollversammlung der deutschen Bischöfe im Jänner und Februar 2026 steht die Begutachtung und Genehmigung (lateinisch: recognitio) des neuen nationalen kirchlichen Beratungsgremiums in Deutschland durch den Vatikan an. Die künftige deutsche Synodalkonferenz ist die greifbarste und umstrittenste Frucht des deutschen Synodalen (Sonder-)Wegs. Und Papst Leo XIV. hat bereits angekündigt, dass der Vatikan unter seiner Führung darauf achten wird, dass der deutsche Weg der Laienbeteiligung an Entscheidungen in der Kirche nicht zu sehr von dem abweicht, was auf Weltebene gilt.
Unterdessen sind 2026 bei der noch nicht ganz abgeschlossenen Weltsynode keine römischen Großereignisse geplant. Erst 2028 ist im Vatikan eine "universale Kirchenversammlung" mit Laienbeteiligung angesetzt. Aber bis dahin laufen die Beratungen erst einmal auf Ebene der Ortskirchen und der einzelnen Länder, später auf kontinentalem Level.
Chef-Spendensammler Leo
Nicht so lange warten kann die Sanierung der angespannten Vatikan-Finanzen, die bereits im letzten Jahr des Franziskus-Pontifikats spürbare Fortschritte machte. Hier hat Papst Leo XVI. als "Fundraiser-in-Chief" bereits erfolgreich mit US-amerikanischen Großspendern wie den Columbus-Rittern gesprochen und mit dafür gesorgt, dass die Spenden wieder reichlicher fließen. Weitere Treffen dieser Art sind auch 2026 zu erwarten.
Eine wichtige Personalie im vatikanischen Finanzsektor steht ebenfalls bald an. Der erfolgreiche französische Investment-Manager Jean-Baptiste Douville de Franssu (62) leitet bereits seit Juli 2014 die Vatikanbank IOR. Und damit sind seine zwei fünfjährigen Amtszeiten bereits überschritten. Er hat es geschafft, die früher skandalumwitterte Bank zu einem Vorbild an Transparenz zu machen und gleichzeitig den Gewinn zu steigern, von dem ein Großteil an den Papst abgeführt wird.
Prozesse mit ungewissem Ausgang
Ähnlich wichtig wie die Sanierung der Vatikanfinanzen ist für den Vatikan die Wiederherstellung seines guten Rufs durch den Abschluss zweier Prozesse, die das Ansehen des Heiligen Stuhls seit Jahren belasten. Der eine betrifft den sogenannten Londoner Immobilienskandal, in den als prominentester Vatikanvertreter die ehemalige Nummer drei im Vatikan, Kardinal Angelo Becciu, verstrickt ist und in erster Instanz zu Haft- und Geldstrafen verurteilt wurde.
Hier hat im September 2025 der Berufungsprozess begonnen, wurde dann aber aufgrund ungeklärter Verfahrensfragen auf Februar 2026 vertagt. Dem Prozessausgang, der frühestens nach der Sommerpause zu erwarten ist, sehen nicht nur die Angeklagten, sondern auch die Spitzen des vatikanischen Staatssekretariats gespannt entgegen.
Für den Ruf der Institution noch entscheidender ist der Ausgang des kirchlichen Strafprozesses gegen den Mosaikkünstler und früheren Jesuitenpater Marko Rupnik. Ihm werfen mehrere Ordensfrauen vor, er habe sie sich unter Ausnutzung seiner Autorität als Geistlicher sexuell gefügig gemacht. Ins kirchenrechtliche Sondergericht für diesen Fall wurden im Oktober fünf Richter berufen, darunter auch Frauen.
Neben den Niederungen der Skandale und Gerichtsverfahren erwarten Vatikanbeobachter im Jahr 2026 aber auch Theologisches. Die erste Sozial-Enzyklika des Papstes könnte dem Vernehmen nach die Künstliche Intelligenz zum Thema haben.
Reisen nach Afrika und Lateinamerika
Und dann sind da noch die Reisepläne des Papstes. Anders als sein erster Trip in die Türkei und den Libanon könnten die kommenden Auslandsreisen deutlich umfangreicher werden, sowohl bezüglich der Dauer als auch der zurückgelegten Kilometer. Nahezu offiziell bestätigt hat Leo XIV. eine Reise auf den afrikanischen Kontinent. Als Etappe gesetzt scheint Algerien, wo Leo auf den Spuren seines Ordensgründers Augustinus wandeln will.
Möglicherweise legt er zuvor einen Zwischenstopp auf den Kanarischen Inseln ein, die Ziel der Fluchtroute Zehntausender Migranten sind. Über diese Reise munkelt man im Vatikan schon länger; die spanischen Bischöfe zeigten sich zuletzt zuversichtlich ob eines Besuchs des Papstes im nächsten Jahr.
Und da wäre noch Leos XIV. zweite Heimat Lateinamerika. Mit einer wenigstens zeitweisen Rückkehr in sein geliebtes Peru rechnen viele Vatikanbeobachter. Doch zuerst erwarten Argentinien, Uruguay und Länder in der Nähe den Besuch des Papstes, wie Leo XIV. auf dem Rückweg seiner ersten Reise Anfang Dezember vor Journalisten sagte.
Quelle: kathpress